Sebastian Lehmann – Genau mein Beutelschema

Lehmann_Genau mein Beutelschema

Ein Hipster kommt selten allein
Mark hat’s nicht leicht: Das Hipster-Dasein in Neukölln ist härter, als man denkt, und mit Christina trifft er eine Frau, die ihm in jeder Hinsicht voraus ist. Auf einmal sieht er seine Bohème-Existenz in ganz neuem Licht und muss sich entscheiden – zwischen Musikertraum, Brotjob auf Lebenszeit und Frau mit Stoffbeutel. Und was hat es eigentlich mit diesem merkwürdigen Verschwinden der Hipster auf sich? (Klappentext)

Hipster, Berlin, Musik und Filme aus den Neunzigern… Ich fühlte mich direkt zu diesem Buch hingezogen. Ich musste es nicht nur sofort haben, sondern auch sofort lesen.
Schon allein, dass es mit einer Szene in einer illegalen Kellerbar beginnt, in der Lieder der Backstreet Boys gespielt werden, ließ mich wohlig grinsen und mich an meine Kindheit denken.
In dieser Bar lernt Mark, der sich einer spontanen Eingebung folgend als Marky Mark vorstellt, Christina kennen. Christina schließt sich seinem Witz spontan an und nennt sich Christina Aguilera und ihren Begleiter Dr. Alban.
Es dauert nicht lange und Mark und Christina werden ein Paar. Man liest von den Partys, auf die sie gehen, von den Jobs, den sie nachgehen, ihrer Vergangenheit und ihren Gedanken und Gefühlen.

Die Geschichte scheint kein bestimmtes Ziel zu verfolgen, sondern schildert das Leben junger, hipper Menschen aus Berlin, die sich gerade so schön zu der berühmt-berüchtigten Gruppe der Hipster zählen lassen. Sie tragen Undercut und Stoffbeutel ebenso selbstverständlich wie Röhrenjeans und Oversize-Shirt. Gern kombiniert mit einer unnötig großen Nerd-Brille. Musik und Filme aus den neunziger Jahren sind bei ihnen wieder schrecklich angesagt.
Man taucht immer tiefer in die Hipster-Welt mit Bars voller Sperrmüllmöbeln und dem In-Getränk Club Mate, als plötzlich immer mehr Hipster aus Neukölln verschwinden und wieder in einem U-Bahn-Hof in dem vollkommen unhippen Bezirk Tiergarten erwachen, ohne zu wissen, wie sie dort hingekommen sind. Niemand außer Mark scheint der Sache wirklich Beachtung zu schenken…

Ich mochte die Idee, die Sprache und die Figuren gern. Alles war jung und cool, ohne gewollt jung und cool zu sein. Ich konnte mich mit dem Buch und der Geschichte identifizieren, auch wenn ich weder in Berlin lebe, noch Hipster bin.
Die Sprache war modern und trotzdem unterfordert sie nicht. Ich konnte eintauchen und hörte Marks Gedanken zu, als würde ich sie von einem Freund erzählt bekommen.
Die Personen fand ich witzig, charmant und „anders“. Ich habe gern von ihnen gelesen, konnte mich aber nicht zu hundert Prozent auf sie einlassen. Ich fühlte mich ein bisschen auf Distanz gehalten. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Mark selber nie so ganz genau wusste, was er eigentlich will und sich selber und andere auch nicht tiefer zu ergründen versuchte.

Das Buch besaß viele Elemente, die mir gut gefielen. Die Kapitelüberschiften waren passenderweise Filme, Serien oder Lieder aus den Neunzigern und passten immer perfekt zum Inhalt. Mark sah überall Stoffbeutel, die immer einen Spruch trugen, der zur jeweiligen Situation passte. Neben Marky Mark, Christina Aguilera und Dr. Alban hießen die Figuren unter anderem noch Gary (Barlow) und Kurt (Cobain). Warum Mark seine Freunde so nannte, wurde immer gut und passend erklärt und so fand ich es nie lächerlich.

Laut lachen konnte ich beim Lesen zwar nicht, aber immerhin schmunzeln, das ist ja immerhin auch schon was. „Besser als nichts“, wie Marks Lebensmotto schon sagt.

Dass mir das Buch am Ende aber doch nicht so wirklich gefallen hat, liegt an verschiedenen Punkten.

Wenn ich „Billig-Bier“, „Nirvana“, „postironisch“ und „flexibel, belastbar, innovativ, kreativ und teamfähig“ sage, erkennen Fans der Känguru-Chroniken sofort deren Running-Gags wieder. Dass die nun hier auftauchen, fand ich gar nicht lustig (Und schon gar nicht Wort für Wort. Also bitte!). Allein schon, dass die Hauptfigur Mark heißt… Gut, beim Känguru geht es um Marc-Uwe, aber so groß ist der Unterschied wirklich nicht. Das mag nun Zufall sein, denken vielleicht einige. Beide Autoren, Sebastian Lehmann und Marc-Uwe Kling, kommen aus Berlin… vielleicht ist das so ein Berliner Ding. „Nee!“, sag ich! Das war wohl schon bewusst gemacht. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Marc-Uwe Kling in der Danksagung gleich an erster Stelle erwähnt wird und die Empfehlung auf dem Klappentext auch von ihm stammt. Er weiß also Bescheid, gut und schön, ich sehe da Ideenklau. So!

Die Geschichte war zwar nett und das Zurückversetzen in meine Kindheit auch, aber insgesamt fehlte doch die Spannung. Es war ganz schön, mal eine Geschichte von Hipstern zu lesen, aber wenn man in den letzten paar Jahren nicht mit Scheuklappen durch die Weltgeschichte gelaufen ist, hat man schon allerhand von denen erfahren. Für mich war also von der Seite her nichts Neues im Buch.

Dann gab es ja da noch die Krimi-Elemente um das Verschwinden der Hipster, die plötzlich in Tiergarten zu sich kommen. Erst fand ich es spannend, dann glitt es für mich in die Unglaubwürdigkeit ab und am Ende schien der Autor selber nicht genau zu wissen, wie er das nun auflösen will und ich blieb ratlos zurück.

Man kann das Buch definitiv lesen, ich habe es sogar gern gemacht. Es ist zwar nicht viel passiert, aber ich verbrachte meine Zeit gern mit Mark und Christina. Am Ende störten mich die obigen Punkte jedoch so sehr, dass es nur zu 3,5 Sterne reicht.

Sebastian Lehmann – Genau mein Beutelschema

Aufbau Taschenbuch, Juni 2013
ISBN 3746629403
235 Seiten
Taschenbuch; 8,99 Euro