Tildas Tage sind strikt durchgetaktet: studieren, an der Supermarktkasse sitzen, sich um ihre kleine Schwester Ida kümmern – und an schlechten Tagen auch um die Mutter. Zu dritt wohnen sie im traurigsten Haus der Fröhlichstraße in einer Kleinstadt, die Tilda hasst. Ihre Freunde sind längst weg, leben in Amsterdam oder Berlin, nur Tilda ist geblieben. Denn irgendjemand muss für Ida da sein, Geld verdienen, die Verantwortung tragen. Nennenswerte Väter gibt es keine, die Mutter ist alkoholabhängig. Eines Tages aber geraten die Dinge in Bewegung: Tilda bekommt eine Promotion in Berlin in Aussicht gestellt, und es blitzt eine Zukunft auf, die Freiheit verspricht. Und Viktor taucht auf, der große Bruder von Ivan, mit dem Tilda früher befreundet war. Viktor, der – genau wie sie – immer 22 Bahnen schwimmt. Doch als Tilda schon beinahe glaubt, es könnte alles gut werden, gerät die Situation zu Hause vollends außer Kontrolle. (Klappentext)
Ehrlicherweise zog mich bei dem Buch zuerst der Name an, denn kurz dachte ich, es sei ein neues Buch von Carolin Wahl. Das E hat hier aber den Unterschied gemacht. Nichtsdestotrotz blieb das Buch in meinem Kopf und auf meiner Wunschliste, von der es extrem schnell wieder befreit wurde.
Tilda liebt schwimmen, ihr Mathestudium und ihre kleine Schwester Ida. Durch die Alkoholsucht der Mutter ist die gut 15 Jahre ältere Tilda so etwas wie eine Mutter für Ida. Und deswegen traut sie sich nicht, ihr Leben vorankommen zu lassen.
Ich empfinde das Buch als „klassisches deutsches Buch einer jungen Autorin“, eine Mischung aus Melancholie und Witz. Der Stil erinnert mich ein bisschen an Sarah Kuttner, Adriana Popescu oder Ulla Scheler.
In diesem Buch passiert nicht viel mehr als das Leben und trotzdem habe ich es sehr genossen. Nicht nur Tilda war ein toller Charakter mit all ihrer Liebe und Stärke, sondern auch Ida fand ich zuckersüß. Es war so schön zu sehen, wie sie zwar einerseits schüchtern ist und unter den Verhältnissen zuhause leidet, aber trotzdem im richtigen Umfeld total aufblüht.
Man begleitet Tilda, wie sie innerhalb weniger Monate ihr Leben neu sortieren kann, wenn sie sich denn traut. Wie sie Viktor, den Bruder ihres verstorbenen Freundes Ivan, besser kennenlernt, wie sie überlegt, ob sie für ihre Promotion wegziehen kann und wie sie immer mehr ihrem alten Leben entwächst.
Vor allem die Stimmung des Buches fand ich toll. Wie es erzählt ist, der Wortwitz, der mich immer wieder erheiterte.
„22 Bahnen“ behandelt tiefe Themen, ja tragische Themen. Es geht um Alkohol, Drogen, Suizidversuche – aber es geht auch um Leichtigkeit und wie Tilda mit all dem umgeht.
Das Buch hat mich zwar weder tief beeindruckt, noch wird es mich stark prägen, aber ich hatte eine gute Zeit und hörte es gern.
Caroline Wahl – 22 Bahnen
DuMont Buchverlag, 18. April 2023
ISBN 3832168036
208 Seiten / 6 Stunden 21 Minuten