In 80 Büchern um die Welt

Auf jeder Seite ein neues Abenteuer

»In 80 Büchern um die Welt« ist ein fabelhafter Spaß für reiselustige Leseratten. Wir besuchen mit Marco Polo den Hof von Kublai Khan, streifen mit Dracula durch Transsylvanien und fahren mit Joseph Conrad den Kongo entlang in das dunkle Herz von Afrika. Unsere literarische Weltreise führt in mehr als 30 Länder.

Geliebte Klassiker und moderne Bestseller von Jane Austen, Anna Seghers, Mary Shelley und Jack Kerouac geben sich ein Stelldichein. Die Reisebeschreibungen sind überraschend, gefährlich und berührend. Kluge Köpfe verraten alles Wissenswerte über Autor:innen, Hintergründe und Motive. (Klappentext)

Die Macher dieses Buchs haben sich mit „Wonderlands“ schon fantastischer Welten innerhalb von Büchern angenommen, nun geht es um unsere Welt, um Reisen in reale Länder.

„Wir können nicht ruhig zuhause sitzen. Das liegt in unserer Natur.“

So beginnt dieses Buch und nichts fühlt sich passender an, nachdem ich dieses Jahr schon eine kleine griechische Insel erkundet habe, auf Mallorca entspannte und demnächst noch Barcelona besuche. Während ich von Freunden Bilder von ihren Kanada- und Italienreisen bekomme. Zudem sehe ich zeitgleich Bilder über den Wolken in den Whatsapp-Status von Bekannten. Wir reisen, wir erkunden, wir erleben – und wir lesen. Was für eine wundervolle Kombination stellt da dieses Buch dar?

„In 80 Büchern um die Welt“ führt den Leser zu Büchern vom Mittelalter bis heute. Es beginnt mit „Die Odyssee“ (ca. 725 – 675 v. Chr.) von Homer und endet mit „Lincoln Highway“ (2021) von Amor Towles.
Jedes Buch wird auf zwei bis drei Seiten beschrieben. Man erfährt Infos zu den Autor*innen, der Entstehungsgeschichte, dem Inhalt des Buches. So viel, was interessant und wissenswert ist.

Die Seiten sind gefüllt mit Covern und Autor:innen-Bildern – das ist klar. Doch dazu finden sich Landschaftskarten, Gemälde, Szenenfotos aus Filmen und noch mehr. Allein eine Seite aufzuschlagen macht schon Spaß, da hat man noch nichts gelesen.
Doch auch dann wird der Spaß nicht gemindert. Trotz des Sachbuchcharakters liest es sich flüssig, denn man möchte die ganzen Infos über die Bücher aufsaugen. Man muss jedoch bedenken, dass sich in all den Infos über die Bücher zum Teil auch kleinere Spoiler und Hinweise auf Wendungen des Buches befinden.

Insgesamt teilt sich das Buch in vier große Teile: „Expeditionen und Reisen“ mit Büchern von 725 v. Chr. bis 1897, „Zeitalter des Reisens“ mit Geschichten von 1899 bis 1953, „Postmoderne, neue Wege“ mit Reisegeschichten von 1955 bis 1998 und „Reisen in der Gegenwart“, die zwischen 2000 und 2021 stattfinden.

Besonders schön finde ich die Vielfalt der Bücher und Autoren. „Die Flucht ohne Ende“ (1927) vom Österreicher Joseph Roth findet sich genauso in diesem Werk wie „Ein Schmetterling im November“ (2004) von der isländischen Autorin Auður Ava Ólafsdóttir, „Eine gute Partie“ (1993) vom indischen Autoren Vikram Seth und auch „Americanah“ (2013) von Chimamanda Ngozi Adichie, die in Nigeria geboren ist. Diese Vielfalt findet sich auch in den Reiseruten der Bücher wieder. Von Ost nach West und Nord nach Süd. Heiße Orte, kalte Orte, Landwege und Seewege, Reisen mit dem Auto oder Fahrrad. Es wird eine unfassbare Bandbreite dargestellt. Aber – das wird im Vorwort bereits hervorgehoben – dieses Buch stellt keine vollständige Enzyklopädie aller Reiseromane dar. Kann ja gar nicht. Und doch merkt man an jeder Ecke die wahnsinnige Mühe, so viel Varianz zwischen Autoren, Zeiten und Orten hereinzubekommen, wie möglich.

Ich gebe zu, ich persönlich habe erst ein Buch der hier vorgestellten gelesen: „Seide“ (1996) von Alessandra Baricco. Aber keine hier vorgestellten Bestseller, wie „Lolita“ (1955) von Vladimir Nabokov, „Frankenstein“ (1818) von Mary Shelley oder „Tschick“ (2010) von Wolfgang Herrndorf. Letzteres liegt immerhin auf meinem Sub, ebenso wie „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ (2013) von Rachel Joyce.

Was für ein wundervolles Buch. Wirklich! Für Literatur- und Reiseliebhaber. Für Menschen, die gern interessante Texte lesen und gern Gemälde ansehen. Hier steckt so viel Wissenswertes drin. Normalerweise lasse Preise aus Rezensionen heraus, aber hier muss ich ihn hervorheben: All das Wissen und die Mühe hat wbg Theiss für 29 Euro herausgebracht. Unfassbar! Ich glaube, dieses Buch sollte demnächst unter einigen Weihnachtsbäumen liegen. Es lohnt sich so sehr!

In 80 Büchern um die Welt
Originaltitel: Literary Journeys. Mapping Fictional Travels Across the World of Literature (2022)
wbg Theiss, 12. September 2022
ISBN 3806244294
256 Seiten
Broschiert; 29,00 Euro

Ähnliche Titel (Klicke für die Rezension):


Kostenloses Rezensionsexemplar

Christian Grataloup – Die Erfindung der Kontinente

Warum wir unsere Welt so und nicht anders sehen

Warum zeigt ein Kompass immer nach Norden? Wie viele Kontinente gibt es? Und weshalb sprechen wir von drei Ozeanen, obwohl nur eine einzige große Wassermasse existiert? Die Darstellung unseres Planeten hat sich im Laufe der Zeit häufig verändert. Entdecker, Kaufleute und Kolonialisatoren nahmen die Welt ganz unterschiedlich wahr.
Christian Grataloup erzählt die Geschichte unserer Sicht auf die Welt völlig neu. In einem grandiosen Durchgang von der Antike bis heute zeigt er mit sprechenden Beispielen und beeindruckendem Bildmaterial, warum wir unsere Welt so und nicht anders sehen. (Klappentext)

Ich glaube, ich hatte drei große Aha-Momente in Bezug auf Landkarten in meinem Leben.
1. Irgendwann kam der Moment, in dem ich als Kind lernte, dass wir für Australier „unten“ sind.
2. Dann kam der Moment, in dem ich lernte, dass es sogar Upside-Down-Weltkarten aus der Sicht Australiens gibt.
3. Und dann der – und das ist noch gar nicht lange her – dass viele Landkarten die Kontinente proportional vollkommen falsch darstellen. Zum einen, weil eine Kugel nun mal nicht wirklich gut in 2D darzustellen ist, zum anderen, weil manche Landkarten im Zuge der wirtschaftlichen Wichtigkeit ein wenig bei der größe schummeln.
Und auch wenn Landkarten nicht in meinem täglichen Denken verankert sind, war ich sofort interessiert, als mir „Die Erfindung der Kontinente“ als Rezensionsexemplar angeboten wurde.

Das Buch aufzuschlagen ist haptisch schon sehr schön. Das Papier ist wundervoll glatt und glänzend und lädt sehr dazu ein, immer wieder darüberzustreichen. Vor allem aber werden die Bilder so noch einmal mehr zu einem Hingucker. Es gibt ganz verschiedene: biblische Darstellungen, Fotografien, Gemälde, doch mein Highlight – und auch der Fokus – sind die verschiedenen Darstellungen der Welt. Landkarten in Pferde-, Kleeblatt- oder Menschenform.
Aufgebaut ist das Sachbuch in neun Kapiteln plus Anhang. Es geht um das Weltbild von Kirchenvätern, die Entdeckung der Neuen Welt, um Atlantis, die Meere, nationale Identitäten und noch viel mehr.

Ich hatte viele Abbildungen erwartet, geht es um etwas immerhin um bildliche Darstellungen. Doch der Text steht dem in nichts nach, ich tippe grob auf eine 50:50-Verteilung.
Mein vorheriger Irrglaube beruhte wahrscheinlich auch darauf, dass ich dachte, so viel gäbe es zur Darstellung der Welt nicht zu sagen. Doch Christian Grataloup beschränkt sich nicht darauf. Er macht einen Rundumschlag zu all den Themen, die die Welt in den Köpfen der Menschen oder auch ganz real verändern. So bringt er unter anderem die von den Wikingern erfunden Himmelsrichtungen, Plattentektonik, die Entdeckung Amerikas oder das Paradoxon „Orientierung nach Norden“ unter. Das Buch ist vollgepackt mit Wissen und auf jeder Seite wird deutlich, warum der Autor und emeritierte Professor als „größter Historiker unter den Geographen“ gilt.
Vor allem verliert er nicht den Blick für aktuelle Gegebenheiten. Er schlägt den Bogen vom Ursprung bis zur heutigen EU und deren Herausforderungen, wie Zuwanderungsströme.

Ich habe bemerkt, dass Grataloups Betrachtung der Welt aus verschiedenen Blickrichtungen – geographischen, geschichtlichen, religiösen, kulturellen – mir sowohl weitere Aha-Momente bescherte als auch mein eigenes Denken in Frage stellt beziehungsweise mir aufzeigt, wie sehr mein Verständnis von der Welt vom „kollektiven Gedächtnis“ geprägt ist.

Dieses Sachbuch ist trotz seiner angenehmen Schreibart nichts, was sich mal schnell an ein paar Tagen durchlesen lässt. Aber es ist so spannend, informativ und lehrreich, dass es sich lohnt, egal, ob man sich explizit für geographische Darstellungen, Geschichte oder die Welt im Allgemeinen interessiert.

Christian Grataloup – Die Erfindung der Kontinente – Eine Geschichte der Darstellung der Welt
Originaltitel: ‎ L’invention des continents et des océans (Oktober 2020)
wbg Theiss, 25. August 2021
ISBN 3806243441
256 Seiten
Gebunden; 80,00 Euro

Kostenloses Rezensionsexemplar

John Garth – Die Erfindung von Mittelerde

Auf Tolkiens Spuren

Welches sind die realen Vorbilder für die Schauplätze von Tolkiens Romanen? Welche Reisen, Mythen und Sprachen haben ihn beeinflsust? John Garth schildert, wie die fantastische Welt on Mittelerde entstand. Mehr als 100 Illustrationen, umfangreiches Archivmaterial und spektakuläre Neuaufnahmen begeistern jeden Fan. Detaillierte Karten lassen uns Tolkiens Spuren folgen.

Gestützt auf sein profundes Wissen über Leben und Werk Tolkiens identifiziert der mehrfach preisgekrönte Autor John Garth die Orte, die dem Schöpfer von Mittelerde als Grundlage für Hobbiton, das Elbental von Rivendell oder die Glitzernden Höhlen von Helms Klamm dienten.

Die inspirierenden Landschaften, Berge, Wälder und Seen verteilen sich über ganz Großbritannien, finden sich aber genauso in Tolkiens südafrikanischer Heimat und auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs. (Klappentext)

Wie so viele andere meines Alters saß ich viele Stunden im Kino und habe mich im neuen Abenteuer von Frodo, Pippin, Sam und Merry verloren. Habe ambivalente Gefühle für Gollum entwickelt, bin der Schönheit der Elben erlegen, schaute fasziniert den Ents zu und versuchte doch wenigstens ein bisschen die Inschrift des Rings zu entziffern.
Die Reihe um „Der Herr der Ringe“ ist eine der einschneidendsten Filmerfahrungen meines Lebens. Und bis heute eine der fantastischsten.
Daher habe ich mich wahnsinnig gefreut, als ich gefragt wurde, ob ich „Die Erfindung von Mittelerde“ als Rezensionsexemplar erhalten möchte.

Ich gestehe: So gut ich die Filme kenne, so wenig kenne ich die Bücher. Daher ist die Welt der Hobbits für mich ausschließlich mit einem Land verbunden: Neuseeland. Allein deswegen hat dieses Buch schon meinen Horizont sehr erweitert.

In elf Kapiteln erklärt John Garth die Verbindungen der von Tolkien geschaffenen Welt mit der Realität. Dabei analysiert er Geografie, Namen und Kulturen. Er bedient sich eigener Theorien und Behauptungen anderer. Ein Richtig oder Falsch ist demnach kaum zu beurteilen. Plausibilität steht im Vordergrund.
Doch Garth beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit Tolkien und seiner Mittelerde. Er hat zu dem Thema schon andere Bücher verfasst, ist also mit der Person und den Ideen des Fantasyautors bekannt und schafft es gut, sich in seine schöpferischen Gedanken und Gefühle hineinzuversetzen.

Garth zeichnet die Spuren von Tolkiens Leben nach und erklärt anhand dessen Orte, Figuren und Handlungen in seinen Büchern. Trotz harter Schicksalsschläge und Erfahrungen zeigt sich in allem eine tiefe Liebe zur Natur. Es erklärt nicht nur die Besonderheiten von Mittelerde, sondern auch, warum Frodo und seine Gefährten auf dem großen Abenteuer immer wieder an wunderschönen Orten zur Ruhe kommen können.

Die Informationen sind sachlich und doch recht erzählerisch dargelegt. John Garth bezieht Wissen um Tolkien und auch explizite Interviews mit ein und belegt das alles mit Quellen. Durch das Buch zu blättern und in ihm zu lesen eröffnet eine ganz neue Welt und man bekommt viele Aha-Momente.

Aber so schön und informativ alles an sich schon ist: Das Highlight sind die Bilder. Der ursprüngliche Einband der Bücher, Fotos von Tolkien, Karten der realen Welt und von Mittelerde, Darstellungen der Geschehnisse des Buches und Bilder von Dingen, die Tolkien beeinflussten. Das alles macht das Buch rund und nochmal interessanter.

Dieses Buch steckt so voller Wissen, Liebe zu Tolkien und „Der Herr der Ringe“. Es ist nicht das einzige Sachbuch zu dem Autoren und seinem Werk, doch mit dem Fokus auf die Orte ist es besonders. Darüber hinaus gibt es so viele spannende Details über die Mythen, die Einzug in das Buch fanden, die Entstehungen von Namen und die Einflüsse realer industrieller und gesellschaftlicher Entwicklungen.
Ich bin so froh und dankbar, dass ich dieses bereichernde Buch nun in meinem Regal stehen haben darf. Und von Zeit zu Zeit werde ich es sicher wieder zur Hand nehmen, um mich gedanklich ein wenig in Mittelerde umzusehen.

John Garth – Die Erfindung von Mittelerde – Was Tolkien zu Mordor, Bruchtal und Hobbingen inspirierte
Originaltitel: The Worlds of J.R.R. Tolkien. The Places That Inspired Middle-Earth (Juni 2020)
wbg Theiss, 24. Februar 2021
ISBN 3806242607
208 Seiten
Gebunden; 32,00 Euro

Kostenloses Rezensionsexemplar

Ildikó von Kürthy – Unter dem Herzen

Es ist absolut nichts Besonderes, wenn ein Baby zur Welt kommt.
Außer, es ist das eigene!

Dehnungsstreifen und Dinkelstangen, Nachgeburt und Frühförderung, wettrüstende Supermütter, Milchstau und Karriereknick, Angst, Glück, Zweifel – und überall Pastinakenbrei!

«Unter dem Herzen» ist mein Tagebuch aus einer fremden Welt. Denn mir ist neulich etwas Ungeheuerliches passiert: Ich bin Mutter geworden!

Und als Anfängerin auf diesem Gebiet fragt man sich: Muss mein Neugeborenes wirklich eine Fremdsprache lernen? Warum schreit es? Warum schreit es nicht? Ist es erlaubt, sich mit dem eigenen Baby zu langweilen? Was genau ist eigentlich eine gute Mutter, wo ist dieser verdammte Beckenboden, und wie belastbar wirkt man auf Vorgesetzte, wenn man nach Babykotze riecht?

Nichts ist mehr so, wie es mal war.
Und irgendwann steht eine Kerze auf der Torte. Jemand sagt so etwas Ähnliches wie «Mama», und du denkst: «Mensch, der meint ja mich» (Klappentext)

Wenn man mich im Kindergarten fragte, was ich mal werden will, sagte ich: „Mutter!“. Ich kümmerte mich immer rührend um die, die jünger waren als ich.
Seit ich volljährig war, fühlte sich mein Leben an, als wäre es in einer Warteposition. Als wäre ich in einer Warteposition. Ich wartete, dass ich endlich schwanger werden konnte. Dass der Zeitpunkt endlich stimmt. Dass mein Leben endlich so richtig beginnt.
Jede Schwangere in meinem Umfeld bedeutete erst mal Herzschmerz für mich.
Ich war seit jeher die geborene Mutter.
Ende Mai 2018 war es endlich soweit und ich hielt einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Und damit kam die Angst. Die ersten Tage machte ich immer morgens einen Schwangerschaftstest und verschickte panisch Vergleichsbilder mit der Frage: „Ist die Linie heute schwächer? Sinkt das HCG?“ Doch alles ging gut, seit einem Jahr bin ich nun Mutter einer unfassbar tollen Tochter.

Seit ich von „Unter dem Herzen“ hörte, wusste ich, dass ich es lesen muss. Ildikó von Kürthy gehört zu meinen liebsten Autorinnen und ich wollte dringend wissen, wie sie diese besondere Zeit in ihrem Leben empfand.

Es beginnt mit ihrem positiven Test. Man wird mitgenommen von dem Moment an, in dem sich das Leben der Autorin vollkommen auf den Kopf stellte. Aus der kinderlosen, aber kinderwünschigen Ildikó wurde eine Schwangere. Und das zu lesen ist unfassbar erheiternd. Man bekommt keinen wöchentlichen oder monatlichen Bericht, sondern wird immer wieder in wichtige Situationen hineingenommen. Erster Frauenarztbesuch, Schwangerschaftsverkündung, Geschlechtsbekanntgabe – bei allen wichtigen Dingen ist man dabei. Doch es geht gar nicht so sehr um die großen Punkte, sondern die kleinen. Die Ängste und Sorgen, die neuen Erkenntnisse und schockierenden Wahrheiten, die man so im Laufe von 40 Wochen erfährt. Und auch wenn uns so viel unterscheidet, ich erkannte mich so oft in den Beschreibungen wieder, nickte, lachte, schwelgte in Erinnerungen.

Ebenso abgeholt war ich bei den Beschreibungen des ersten Jahres. Das Geschlecht unserer Kinder unterscheidet sich, das Verhalten und Aussehen auch – und trotzdem, auch hier lachte und hachte ich ständig.
Zusätzlich gibt es auch wieder so schöne Illustrationen, die das Geschriebene visualisieren. Stefan Werthmüller hat hier tolle Zeichnungen beigesteuert.

In ihrer Schwangerschaft besprach Ildikó von Kürthy schon viele Gedanken und einige Ängste, doch nach der Geburt ging es erst so richtig in die Tiefe.
Was macht eine gute Mutter aus? Wie viel schlechtes Gewissen ist normal? Fühlen sich andere auch so schuldig, wenn sie ihr Kind in die Kita geben? Haben andere auch Angst, wie es für sie im Job weitergeht? Wälzen sich andere auch nachts, wenn sie daran denken, dass sie erst einmal nur ein Halbtagsgehalt bekommen? So viele Fragen, die ich mir seit der Geburt meiner Tochter stelle – und alle bewegen auch die Autorin. Sie versucht sie so gut es geht und mit ganz viel persönlicher Meinung zu beantworten.

Ich sehe das Buch nicht als Ratgeber. Das ist es nicht und will es auch nicht sein. Trotzdem freute ich mich darüber, dass aus Ratgebern und Zeitschriftenartikeln über Kindeserziehung zitiert wurde. Charlotte Roche und Judith Holofernes kommen ebenso zu Wort wie Remo Largo und Jesper Juul. Manches gab mir ein besseres Gefühl und ließ mich wissen, dass ich vollkommen normal bin. Auch wenn ich mich manchmal mit meinem so heißgeliebten Kind zuhause langweile.

Ich bin Ildikó von Kürthy wirklich dankbar für dieses Buch, das mir ein paar tolle Lesestunden bereitete, in denen ich lachen konnte und mich verstanden fühlte. Am liebsten hätte ich meinen Mütterfreundinnen, schwangeren Freundinnen und kinderlosen Freundinnen – mit und ohne Kinderwunsch – ständig Zitate aus dem Buch geschickt. Damit die Mütter sehen, sie sind nicht allein. Und damit die Kinderlosen für die ein oder andere seltsame Anwandlung Verständnis bekommen.
Aber das habe ich nicht getan. Niemand will ungefragt Ratschläge bekommen. Schon gar nicht in Bezug auf Kinder.

Ildikó von Kürthy – Unter dem Herzen – Ansichten einer neugeborenen Mutter
Wunderlich, 17. August 2012
ISBN 9783805250436
301 Seiten
Broschiert; 14,95 Euro (als Taschenbuch erhältlich)

Jake Williams – Darwins große Reise – Die Entdeckung der Natur

Dieses grandios illustrierte Buch stellt Charles Darwins bahnbrechende Reise auf der Beagle vor, seine größten Abenteuer und seine wichtigsten Entdeckungen.

Wir begleiten den Forscher Darwin von England zu den Kapverden, nach Brasilien und Galapagos, bis Tahiti und Australien. Wir treffen Schnabeltiere, Vögel, Eidechsen, riesige Faultiere und vieles mehr und lernen dabei, die Natur mit eigenen Augen zu entdecken. (Klappentext)

Ebenso wie den Heldenatlas aus dem Midas-Verlag durfte ich auch dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten. Ich habe mich zuvor nie mit Kindersachbüchern auseinandergesetzt, aber als die Anfrage dazu kam, empfand ich es als wunderschöne Möglichkeit, Kindern Wissen nahezubringen.

Da saß ich plötzlich mit diesem Buch über Charles Darwin und musste feststellen – ich weiß eigentlich gar nichts über ihn. Wenn ich an Darwin denke, denke ich an „Survival of the Fittest“ und ein wenig Evolutionstheorie. Aber wie er seine Erkenntnisse genau gewann und vor allem wann und wo, darüber habe ich mich nie informiert. Umso schöner, dass ich es nun mit diesem Buch nachholen konnte.

Auf 96 Seiten wird alles Relevante prägnant und für Kinder erfassbar zusammengefasst. Es gibt einen kleinen Einblick in Darwins Kindheit, Interessen und seinen Werdegang, bis seine Forschungsreise auf der H. M. S. Beagle begann. Bevor man – beziehungsweise Darwin – bei den Tieren ankommt, gibt es eine Einführung zum Schiff, bekommt Bilder und Details und kann sich so richtig vorstellen, wie er in den Jahren auf dem Schiff gelebt hat. Renovierungen, Ausrüstung, Aufbau der Räumlichkeiten – alles wird kurz aufbereitet.

Und dann geht es auch schon los. Die große Reise wird in acht Kapiteln nachgezeichnet beleuchtet so die großen Stationen. Und zwischen den hübschen Landkarten-Bildern liegt das Herzstück des Buches. Einzelne Tiere und Orte werden herausgesucht und näher vorgestellt. Die Bilder stehen jeweils im Zentrum, doch in den kurzen Texten findet alles Relevante Raum. Und man ahnt es – auch als Erwachsener kann man hier allerhand lernen. Von den kleinen Glühwürmchen bis zu den großen Tintenfischen gibt es so viel Spannendes zu entdecken. Zwischendrin werden die Tiere ergänzt um Infos zu ihren Lebensräumen, Neuigkeiten von Darwins Reise oder allgemeine Fakten zu Tieren.

Die Texte und die Gestaltung des Buches stammen von dem mehrfach prämierten englischen Illustrator, Designer und Animationsprofi Jake Williams. 2017 erhielt er für seine digitalen Zeichnungen, die mit ihren Details und ihrer Farbigkeit überzeugen können, den Preis „Designer of the Year“ vom renommierten Business Design Center London.

Die Bilder haben mich alle für sich auch wirklich begeistert. Sie sind in einem einfachen, comichaften Stil und stehen damit in einem tollen Kontrast zu all den Infos, die das Buch enthält. Oft habe ich noch einmal nach vorn und nach hinten geblättert, weil ich die Aufmachung so gern mag.

96 Seiten mit geballtem Wissen über Charles Darwin und vor allem über spannende Tiere. Das gefällt sicher Kindern – und den Eltern dazu. Toll zum Vorlesen, gemeinsam Entdecken und Staunen. Ich bin ganz verblüfft von diesem Buch.

Jake Williams – Darwins große Reise – Die Entdeckung der Natur
Originaltitel: Darwin’s Voyage of Discovery (Oktober 2019)
Midas Verlag, September 2019
ISBN 978-03876-151-8
96 Seiten
Gebunden; 19,90 Euro

Kostenloses Rezensionsexemplar

Miralda Colombo & Ilaria Faccioli – Heldenatlas

101 unglaubliche Abenteuer von außergewöhnlichen Frauen und Männern, die mit ihren Ideen, ihrem Mut, ihrem Genie und ihrer Kreativität unvergessliche Zeichen in der Weltgeschichte hinterlassen haben. In diesem Buch findest du Künstler, Genies, Schriftsteller, Gelehrte, Mutige und Visionäre. Manche kennst du sicher schon, denn sie sind weltberühmt. Nach ihnen wurden Straßen und Plätze benannt. Von anderen hast du vielleicht in der Schule gehört, wieder andere kennst du wahrscheinlich noch nicht, weil sie nicht so berühmt sind. Aber auch sie haben ihren Beitrag für die Welt geleistet, in der wir leben. (Klappentext)

Seit einer Weile zieht es mich in Bücherläden eher in die Kinderecke. Daher habe ich mich wahnsinnig gefreut, als die Anfrage für Rezensionsexemplare zu Kindersachbüchern kam. Eines davon möchte ich euch hier vorstellen.

Von Konfuzius bis Mark Zuckerberg, von Hatschepsut bis Malala Yousafzai – es werden so viele unterschiedliche Helden und Heldinnen vorgestellt, die in ihrem Leben und für unsere Welt so viel geleistet haben.

Es gibt sechs übergeordnete Kategorien, deren Einleitung jeweils eine Weltkarte zeigt, auf denen die einzelnen Helden und Heldinnen verortet werden können.
Die Einträge unterscheiden sich dann in ganzseitig und halbseitig, wobei die ganzseitigen zusätzlich mit einem Zeitstrahl daherkommen.
Doch egal, ob eine Person auf einer Seite oder einer halben vorgestellt wird: Es ist alles so schön gestaltet, dass es allein schon Spaß macht, durch das Buch zu blättern.
Noch bevor ich überhaupt den ersten Satz gelesen hatte, waren meine Augen ganz groß. Allein mit seinem großen Format wirkt das Buch wie ein Atlas. Als ich es aufschlug, war ich begeistert von den Bildern, denn obwohl der Comicstil einfach und nahezu flächig ist, kann man (fast) jeden auf Anhieb erkennen. Zumindest die Personen, die man kennt.

Neben der schönen Optik mit der liebevollen Gestaltung und der Haptik durch das feste, wertig wirkende Papier überzeugt mich das Buch vor allem mit der Auswahl der Helden und Heldinnen. Ich würde mir selber eine wirklich gute Allgemeinbildung zuschreiben, aber viele Namen waren mir gänzlich unbekannt.
Natürlich, die großen Namen sind dabei: Coco Chanel, Galileo Galilei, William Shakespeare, Eva Perón, Jeanne d’Arc oder Leonardo da Vinci sind nur einige davon. Aber wer kennt Miriam Makeba, Hypatia, José Mujica, Junko Tabei oder Muhammad Yunus? Dabei haben sie alle so spannende und großartige Dinge gemacht.

Allein dadurch entkräftet das sofort das einzige Argument, das man gegen das Buch bringen könnte: Die Infos sind ja alle schnell im Internet herausfindbar. Aber wer sucht nach Menschen, die er nicht kennt?
Die Personen stellen sich in den Texten alle selber vor, sprechen in der Ich-Form und geben einen Überblick über ihr Leben und ihre Leistungen.

Grundsätzlich ist das Buch für ältere Kinder gedacht, aber auch als Vorlesebuch kann ich mir das toll vorstellen. Die Texte sind kurz und anhand der Bilder können schon die Jüngsten erahnen, was die Person geleistet hat oder was sie ausmacht. Darüber hinaus könnte man auch toll mit den Kinder rätseln, wie die Welt wohl aussehen würde, wenn Marco Polo nicht so viel gereist wäre, wenn die Gebrüder Lumière nicht das Kino erfunden hätten oder wenn Johannes Gutenberg nicht den Buchdruck erfunden hätte.

Ganz am Ende, da darf das Kind sich selber dem Atlas hinzufügen, sich malen und seine Geschichte aufschreiben. Was für eine wundervolle Idee!

Ich bin so begeistert von dem Buch. Ich liebe es!
Der Heldenatlas ist erst seit wenigen Tagen in meinem Besitz und ich habe ihn jetzt schon so vielen Menschen empfohlen. Freunden, Verwandten, Bekannten – mit Kindern oder ohne. Ich finde, es lohnt sich so sehr, dieses Buch zuhause zu haben, darin zu blättern und große Persönlichkeiten zu entdecken. Und auch wenn es für Kinder gedacht ist, selbst die Erwachsenen können da viel lernen! Oder wer sind gleich nochmal Claudette Colvin und Wangari Maathai? .

Miralda Colombo & Ilaria Faccioli – Heldenatlas
Originaltitel: Vite straordinarie (Oktober 2018)
Midas Verlag, 25. September 2019
ISBN 3038761508
95 Seiten
Gebunden; 25,00 Euro

Kostenloses Rezensionsexemplar

Dr. Nadja Hermann – Fettlogik überwinden

Hermann_Fettlogik überwinden

Eine längst fällige Abrechnung mit den weitverbreiteten Diätlügen
Warum scheitern Diäten? Wegen genetischer Veranlagung? Wegen eines kaputten Stoffwechsels? Oder wegen Schilddrüsenunterfunktionen? Nach Jahren erfolgloser Diäten und mit 150 Kilo auf der Waage stellt Dr. Nadja Hermann fest, dass das meiste, was sie über Diäten geglaubt hatte, Mythen sind. Ihr wird klar, dass es eigene Logiken gibt, die sie vom Abnehmen abhalten. Erst das Überbordwerfen all dieser »Fettlogiken« hilft der Autorin dabei, ein gesundes Gewicht zu erreichen. Anderthalb Jahre später wiegt sie 65 kg.
Mit Witz, Sachverstand und den neuesten Erkenntnissen aus der Wissenschaft räumt sie mit Diätlügen auf. (Klappentext)

In meinem Ich-lese-jetzt-Artikel habe ich erklärt, wie ich von Normalgewicht auf deutliches Übergewicht kam. 40 kg mehr sind es geworden in gut zwei Jahren.
Lange kann man sich da ja doch relativ gut selbst belügen. Gerade durch die aktuelle Mode, die viel mit Haremshosen und weiten Oberteilen zu tun hat, ging das ganz gut. Ich konnte Sachen kaufen und sie 20kg später immer noch tragen. Dann halt etwas enger. Aber: „Passt ja noch“. Als ich mich irgendwann doch nach Jahren wieder auf die Waage wagte, wog ich 20kg mehr als geahnt -und ich hatte ja schon mit einer Zunahme von 20kg gerechnet. Ein Schock. Ich versuchte es erst ein Dreivierteljahr mit „10 Weeks Body Change“, nahm dabei (viel zu langsam) 10 kg ab und wurde immer frustrierter.

Jetzt habe ich neuen Mut und neue Kraft gefunden, mich dem Abnehmen wieder zu stellen. Im Zuge dessen habe ich das Buch gekauft, das mir schon vor einem Jahr aufgefallen war – damals noch als eBook.
Meine Motivation war von sich aus schon hoch, aber „Fettlogik überwinden“ konnte sie sogar noch steigern.
Ich habe mir sogar eine Fitbit gekauft, um meinen Kalorienhaushalt noch besser kontrollieren zu lassen.

Aber wie half mir das Buch noch zusätzlich?

Es nimmt alle erdenklichen Weisheiten unter die Lupe, die man über das Gewicht kennt. Dabei wurde viel Wert darauf gelegt, alles mit vielen Studien belegen zu können. Die letzten 35 Seiten sind reines Quellenverzeichnis über die verwendeten Artikel und Studien.

Man erkennt sich – egal, ob man Übergewicht hat oder nicht – regelmäßig in dem Buch wieder.
„Es liegt an den Genen. Das liegt bei uns in der Familie!“, „Mein Stoffwechsel ist leider so langsam!“, „Ohne Sport kann man nicht abnehmen!“, „Langsames abnehmen ist eh viel besser!“ oder „So ungesund ist Übergewicht gar nicht…“. Jeder hat solche und ähnliche Sätze wahrscheinlich schon einmal über sich oder – um nett zu sein – über andere gesagt. Dr. Nadja Hermann zeigt in erschreckender Deutlichkeit, wie viele solcher Annahmen es gibt.
Jede dieser Fettlogiken wird mit Fingerspitzengefühl und viel Genauigkeit auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht und dann mit Schmackes an die Wand geklatscht.
Es ist erschreckend, wie viele „allgemeingültigen Wahrheiten“ eben einfach nur falsch sind.

Die Autorin geht dabei auf soziale, gesundheitliche und optische Aspekte ein und jeden einzelnen fand ich unglaublich spannend.
In kurzen Kapiteln wurde alles ausführlich dargelegt.
Interessant dabei waren auch ihre eigene Abnehmgeschichte und die verschiedener Leser des Buches, die zu Wort kommen konnten.
Die lockere Schreibweise trotz vieler trockener Zahlen, macht es neben der „Spannung“, was wohl noch widerlegt wird, unglaublich einfach, das Buch schnell hintereinander weg zu lesen.

Und wenn man von den allgemeinen Fettlogiken noch nicht überzeugt wurde, sich doch mal Richtung Normalgewicht zu begeben, dann sicher bei dem Kapitel über Krankheiten, die durch Übergewicht ausgelöst oder unterstützt werden. Mit zu vielen Kilos hat man teilweise ein Hundertfaches Risiko für bestimmte Krankheiten und diese Zahlen schwarz auf weiß zu sehen, schockiert noch einmal zusätzlich.

„Fettlogik überwinden“ kann sehr unangenehm sein. Es wird in Wunden gebohrt und manchmal tut es sicher weh. Man wird vor den Kopf gestoßen, dass seine „Ich kann nichts dafür“-Ausreden eben nicht stimmen.
Aber das Buch ist auch sehr befreiend. Man sieht, dass alles noch zu regeln ist und dass man nicht einfach Pech mit seinem Körper und Stoffwechsel hatte. Und dass auch die schlanke Freundin nicht „essen kann, was sie will“.
Mit diesem Buch wird einer von vielen Wegen gezeigt, wie man abnehmen kann und unterstützt mit dem Abschütteln vieler festgefahrenen Meinungen.
Ich habe es schon vielen Menschen in meinem Freundeskreis empfohlen. Manche haben es direkt gekauft, manche wollen es sich leihen und noch andere haben „es erstmal aufgeschrieben“.

So abgedroschen es klingt: Ich bin überzeugt, dass dieses Buch Leben verändern (und vielleicht sogar verlängern) kann.

Wer Interesse an ihm hat, kann sich ja schon einmal ein wenig in dem dazugehörigen Blog „Fettlogik überwinden“ umschauen.
Von mir gibt es aber auf jeden Fall eine uneingeschränkte Empfehlung. 5 Sterne

Dr. Nadja Hermann – Fettlogik überwinden
Ullstein Taschenbuch, 12. Februar 2016
ISBN 3548376517
360 Seiten (+35 Seiten Quellenverzeichnis)
Taschenbuch; 9,99 Euro

Sascha Mamczak & Martina Vogl – Es ist dein Planet

Mamczak_Vogl_Es ist dein Planet

»Die Erwachsenen haben es vermasselt«

Klimakatastrophe, Meere voller Müll, zubetonierte Landschaften – mit diesem Irrsinn machen die Erwachsenen den Planeten kaputt und klauen ihren eigenen Kindern die Zukunft. Das ist jedenfalls Pauls Meinung. Und genau so sagt er es auch seinem Lehrer in der Projektwoche zum Thema Umwelt. Doch er ahnt nicht, was er damit lostritt. Denn es geht nicht nur darum, wer was vermasselt hat. Es geht vor allem darum, wie man es besser machen kann… (Klappentext)

Normalerweise wäre dieses Buch niemals in meinem Beuteschema gewesen. Doch nun, da „Nachhaltigkeit“ ein großes Thema in meinem ersten Semester ist, nahm ich das Angebot von Heyne dankend an, dass ich ein Rezensionsexemplar bekomme und begann auch sofort gespannt die Lektüre.

In der Projektwoche der Klasse 7c wirft Paul in den Raum, dass die Erwachsenen alles vermasselt haben und die Jugendlichen nicht zur Verantwortung gezogen werden sollten. Warum sollen sie sich darum kümmern, dass es der Natur besser geht? Sie waren ja auch nicht daran schuld, dass es ihr so schlecht geht.
Es bildet sich eine Gruppe um Paul und jeder bringt einen Irrsinn zu diesem Thema ein. Und auch Ideen, wie alles besser geht.

Das Buch richtet sich an eine Leserschaft ab 12 Jahre. Die Kernzielgruppe ist also genau so alt wie die sechs Gruppenmitglieder Paul, Lina, Jan, Emma, Anton und Marie.
Nach und nach lernt man die Schüler besser kennen. Die Intentionen, warum sie sich für Pauls Gruppe eingetragen haben sind so unterschiedlich, dass sicherlich jeder Leser sich in einer Person wiederfinden kann.

Die Kapitel sind kurz und logisch gegliedert. Erst stellt jeder Schüler seinen Irrsinn zur Umwelt vor und am Ende gibt es sechs Ideen, wie man die Welt ein kleines Stückchen besser machen könnte.

Ich war überrascht, wie einfach und trotzdem ausführlich die Thematik dargestellt ist.
Es ist dein PlanetHätte ich das Thema nicht seit Wochen in den Vorlesungen und Seminaren, hätte ich mit dem Buch tatsächlich allerhand gelernt. Mit all den Fachbegriffen und Statistiken wird spielerisch umgegangen. Es geht um den Oxfam-Doughnut, ökologische Fußabdrücke, planetarischer Grenzen, Klimawandel, Kohlendioxidausstoß, Umweltverschmutzung und so viel mehr.
Vor allem dank der vorhandenen Bilder kann alles noch besser vermittelt werden.

Mich überzeugt das einfache Verständnis so eines komplexen Themas und die verschiedenen Blickwinkel. Obwohl der große Tenor „Wir machen die Umwelt kaputt!“ ist, wird man nicht mit der Moralkeule erschlagen. Allein schon durch die verschiedenen Einstellungen der sechs Schüler bekommt der Leser unterschiedliche Ansichten auf das Thema.
Außerdem will das Buch nicht nur Wissen vermitteln, es regt auch zum Mitmachen an.
So gibt es auf http://www.ideengegendenirrsinn.de auch die Möglichkeit, seine Ideen einzureichen, mit den Autoren zu diskutieren und News zur Umwelt zu erhalten.

Ich bin wirklich überzeugt, dass sich dieses Buch für interessierte Jugendliche lohnt. Auch Eltern, die ihren Kindern das Thema „Nachhaltigkeit“ näherbringen wollen, sind gut bedient.

Meinen einzigen Kritikpunkt gibt es bei den Ideen. Manche waren etwas wirr dargestellt und ich hatte zum Teil auf etwas Konkreteres gehofft.
Trotzdem bekommt das Buch von mir (vor allem bezogen auf die jüngere Zielgruppe) 4 Sterne.

Sascha Mamczak & Martina Vogl – Es ist dein Planet – Ideen gegen den Irrsinn
Heyne Verlag, 21. September 2015
ISBN 3453269993
224 Seiten
Gebunden; 9,95 Euro

Kostenloses Rezensionsexemplar

Juliane Ungaenz – Beziehungsstatus: Verliebt in facebook

Es wäre alles so einfach, wenn Facebook es nicht kompliziert machen würde. Einem Kontaktnetz aus verliebten, verlassenen, betrogenen und belogenen Figuren folgend, geht „Beziehungsstatus: Verliebt in facebook“ den Veränderungen nach, die die soziale Vernetzung unserem zwischenmenschlichen Miteinander beschert hat.
Kann aus einer Freundschaftsanfrage mehr werden? Wie viel Stupsen ist okay? Und wie ändert man eigentlich heimlich den Beziehungsstatus?
Beziehungsstatus: Verliebt in facebook bietet Verständnis- und Verständigungshilfen für Leben und Liebe mit Facebook.
Ein Roman, der jede und jeden in die Digitale Nativity eintauchen lässt. (Klappentext)

„Roman“ so sagt es der Klappentext. Tatsächlich ist dieses Buch so viel mehr. Es ist eine Mischung aus Sachbuch, Satire und einer Liebesgeschichte (eigentlich mehreren Liebesgeschichten), gespickt mit ganz viel Humor.

Facebook… wer hat es nicht (Hat es jemand wirklich nicht? Der möge jetzt doch mal bitte die Hand heben!)? Fluch und Segen zugleich. Das habe ich oft schon festgestellt und mit Freunden diskutiert, aber immer eher vage. Mit diesem Buch wird endlich mal etwas genauer hinter die Kulissen geschaut.
Was sagen eigentlich unsere Profilbilder über uns aus und was wollten wir EIGENTLICH damit aussagen? Drücken wir „Gefällt mir“ wirklich, weil es uns gefällt oder eher um demonstrativ zu zeigen: „Hallo, mich gibt es noch! Hier, guck doch mal! Guckst du? Nein? Soll ich das nächste Mal noch mal auf den Button klicken? Dann???“. Warum stupsen wir? Können wir nicht endlich auch mal Leute in das offene Meer stupsen? Ist es bei Facebook nicht eh zu friedlich? Wie kommt es dann zu Mobbing dort? Und vor allem: Was passiert eigentlich mit unserem Account, wenn wir sterben?

Die Autorin liefert für all das und noch vieles mehr Erklärungen und Ratschläge (möchte jemand seinen Beziehungsstatus heimlich ändern? Hier wird Hilfe geboten!). Ich habe mir tatsächlich noch nie so viele Gedanken über dieses soziale Netzwerk gemacht und mal genau darauf geachtet, was ich eigentlich so dort mache, wie ich mich präsentiere, was ich für Reaktionen bekommen möchte (nur das mit der Privatsphäre-Einstellung, das hatte ich dann doch schon lange vorher begriffen.).

Klingt nach erhobenem Zeigefinger und ganz trockenem Schreibstil? Ist es aber nicht! Selbst in diesen Abschnitten wird mit ganz viel Ironie und passenden Vergleichen aus der realen Welt beschrieben. Vergleiche, die mich nicht selten laut haben auflachen lassen.

Das Einzige, was mich besonders am Anfang störte, war die Häufigkeit, mit der die Fremdwörter auftraten. Und wenn ich Fremdwörter sage, dann meine ich wirklich FREMDwörter. Oder oute ich mich als minder intelligent, wenn ich nicht „hermeneutisch“, „Intersektionen“, „Mise-en-abyme“, „Dysmorphophobie“ oder „antizipieren“ kenne? Manches wird dann doch noch erklärt, manches erschließt sich aus dem Zusammenhang. Vieles musste ich aber stumpf im Internetlexikon nachgucken.

Das ist aber nicht alles. Es geht auch um ganz verschiedene Persönlichkeiten, die alle in dem großen sozialen Netzwerk aktiv sind.
Es geht zum Beispiel um Karina, die gerade von Moritz verlassen wurde. Und um Immerabgelenkt, die in einer seltsamen Dreiecksgeschickte hängt und um Leonie, die eh zu viel im Netz ist. Und um die dazugehörigen Freunde Sarah, Nicolette, Anna, Maria, Ben, Timo, Adrian, Laura, Konradin und noch mehr.
Zu viel, hm? Fand ich auch. Anfangs. Es erschlug mich.
Ich blätterte einige Male zurück, denn irgendwie schienen die alle miteinander zu tun zu haben (Haben wir gerade bei Facebook nicht ALLE über ein paar Ecken miteinander zu tun?). Und ohne Einführung der Personen oder Beschreibungen jeglicher körperlicher Attribute, verwischten sich die Grenzen zwischen den ganzen Mädchen anfangs sehr schnell.
Es dauerte auch eine Weile bis ich zu 100 Prozent mitbekommen hatte, wer denn hier nun der Ich-Erzähler ist.
Als ich dann alles für mich sortiert hatte, empfand ich immer mehr Spaß daran herauszubekommen, wer nun im Hintergrund noch mit wem irgendwie zu tun hat.
Und die Beziehungsgeschichten an sich waren auch sehr spannend.

Für die Darstellung der Geschichten bediente sich die Autorin auch unterschiedlicher Varianten. Mal wurde es schlicht ganz normal erzählt, mal las man einfach nur einen Facebook-Chat-Verlauf oder auch einfach verschiedene Facebook-Einträge mit den dazugehörigen Kommentaren und Likes.
Und hier tritt der Humor noch stärker in den Vordergrund als bei den Erläuterungen über Facebook.
Der Humor kommt aber nicht gezwungen und steif daher, sondern wunderbar frisch, ironisch, echt. „Echt“ das ist wohl das passendste Wort. Es herrscht eine natürliche Schlagfertigkeit, sodass ich die Dialoge förmlich aufgesogen habe.

Ich mochte die Abwechslung. Man konnte nie sicher sein, was das nächste Kapitel bietet.
Ist es nur erklärend? Bringt es nur die Geschichte weiter? Und wenn ja, welche Geschichte? Ist es eine Mischung? Dialoge? Facebook-Einträge?
Durch den tollen Humor und die Variation liest es sich wirklich gut und schnell. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, als würde ich einer Freundin zuhören mit ganz viel Nicken und „Aha“-Sagen.

Einen halben Stern ziehe ich für die ganzen Fremdworte ab, die zwar zum Stil der Sachbuch-Teile sehr gut passten, mich dann aber gerade anfangs doch erschlugen und eher aus dem Lesefluss rissen, da sie mir immer das Gefühl gaben „Das scheint wichtig zu sein, das musst du googeln und nicht überlesen.“.
Einen weiteren halben noch für die Verwirrung um die Personen.
Vielleicht stören sich dann noch einige an dem Preis für ein relativ dünnes Buch, aber so viel mehr wäre über den Umgang Facebook auch nicht zu sagen, denke ich. Und die Geschichten um die Figuren waren auch mehr oder weniger zu Ende erzählt.
Man kann „Beziehungsstatus: Verliebt in facebook“ leider nur im Internet bestellen, aber es lohnt sich wirklich. Nicht nur für die Facebook-Generation, die sich dort mehr als einmal wiederfinden wird, sondern auch für deren Eltern (Tanten, Onkels, Großeltern, Schwippschwager), die endlich mal die Faszination dieser Plattform nachvollziehen wollen.

Aber wer sich doch noch von dem tollen Schreibstil überzeugen will, hier ist der Blog der Autorin: immerabgelenkt.

Juliane Ungaenz – Beziehungsstatus: Verliebt in facebook
bod.de, 4. Oktober 2012
ISBN 3848226634
181 Seiten
Broschiert; 13,90 Euro