Immer, wenn der alten Selma im Traum ein Okapi erscheint, stirbt am nächsten Tag jemand im Dorf. Wen es treffen wird, ist allerdings unklar. Davon, was die Bewohner in den folgenden Stunden fürchten, was sie blindlings wagen, gestehen oder verschwinden lassen, handelt dieser Roman. Vor allem aber erzählt er von Menschen, die alle auf ihre Weise mit der Liebe ringen: gegen Widerstände, Zeitverschiebungen und Unwägbarkeiten – ohne jemals den Mut zu verlieren. (Klappentext)
Am 29. Dezember 2022 kam „Was man von hier aus sehen kann“ in die deutschen Kinos. Im Zuge dessen habe ich ein Paket mit dem Buch und Hörbuch als Rezensionsexemplar erhalten. Anders als das Bild – der Einheitlichkeit halber – zeigt, habe ich das Hörbuch deswegen als MP3 gehört.
Luise lebt mit ihren Eltern im Westerwald, ganz nah bei ihrer Oma Selma, die vorhersagen kann, wenn jemand stirbt. Denn die Nacht zuvor hat sie von einem Okapi geträumt. Nun war es wieder soweit und die Menschen tun all das, wozu ihnen sonst der Mut, die Zeit oder die Motivation fehlt. Alles in der Gewissheit: Es wird jemanden aus ihrer Mitte treffen.
„Das Buch ist besonders“, habe ich immer wieder gehört. Und nun kann ich bestätigen: Das ist es. Aber ich habe Angst, dass ich nicht genau erklären kann, warum genau. Denn es ist von allem ein bisschen. Die Sprache mit den kurzen Sätzen, den wiederkehrenden Motiven, dem trockenen Humor. Die Geschichte mit dem Okapi. Die Atmosphäre in dem kleinen Dorf. Die übersinnlichen Dinge, denen niemand richtig Beachtung schenkt. Die Figuren, die ein bisschen schrullig und ein bisschen normal, ja fast langweilig sind. Luise, Selma, Martin, der Optiker, Elsbeth, Palm, der Einzelhändler, Marlies, der Mönch, Alaska.
Man folgt vor allem Luises Familie, ihr und ihrer Oma, ein bisschen ihrem Vater und ihrer Mutter. Ein bisschen mehr ihrem besten Freund. Sie ist zehn Jahre alt und dann ist sie zwanzig Jahre alt. Dazwischen passiert wenig und doch so viel. Es sterben Leute. Und vor allem, weil der Personenkreis zwar recht groß, aber eben doch überschaubar ist, kommt es überraschend und tut auch ein bisschen weh, jemanden aus dem Dorf gehen zu lassen.
Doch ehrlicherweise – trotz allem – hätte ich mir noch ein bisschen mehr Okapi gewünscht. Ich hatte erwartet, dass hier ein größerer Fokus liegt. Auf den Überraschungen, der Angst und Hektik vorweg. Aber so ist es nicht. Ein Fokus liegt vor allem auf dem Zwischenmenschlichen. Der Umgang mit Verlust. Das Entfernen voneinander und aneinander festhalten. Vor allem auch auf dem Finden. Sich selbst und einander.
Was es mir aber sehr schwer gemacht hat, war die Sprecherin. Wie eingangs erwähnt, hörte ich das Buch nicht auf einem Hörbuchportal, sondern über die erhaltene MP3-Version und die konnte ich nicht in schnellerer Geschwindigkeit hören. In Normalgeschwindigkeit klang sie gelangweilt, genervt, niedergeschlagen und auch zu alt dafür, dass Luise erst zehn und dann zwanzig war und ich sie schon als Hauptfigur empfand. Vor allem am Anfang machte die Stimme es mir sehr schwer, in das Buch hineinzufinden. Erst nach und nach konnte ich mich darauf besser einlassen.
Ich kann mich nur wiederholen: Das Buch strahlt eine Besonderheit aus, die man so selten zu lesen bekommt. Trotz alledem hätte ich mich gern noch mehr in den Emotionen verloren. Es war manchmal ein bisschen lustig und manchmal ein bisschen traurig, aber alles blieb etwas gedämpft. Und auch wenn dieses Damoklesschwert über dem Dorf hängt, schaffte es gar nicht, deutliche Spannung hervorzurufen. Aber für all den Rest lohnt sich das Buch wirklich.
Was man von hier aus sehen kann
DuMont, (19. August 2019)
ISBN 383216457X
320 Seiten / 8 Stunden 2 Minuten
Taschenbuch; 13,00 Euro
Print und Hörbuch als kostenloses Rezensionsexemplar