Der Russe ist einer, der Birken liebt

Da ich ganz frisch das Buch rezensiert habe, soll es in diesem Artikel gar nicht mehr allzu sehr um den Inhalt gehen, denn der ist weitestgehend identisch, sondern meine Meinung zu Pola Becks Umsetzung des Stoffes von Olga Grjasnowa.

Mascha (Aylin Tezel) ist wild und laut, kompromisslos und schlagfertig, doch im Grunde ihres Herzens orientierungslos. Die angehende Dolmetscherin ist Kosmopolitin, spricht fünf Sprachen fließend, nur über ihre eigene Geschichte, die Geflüchtete in ihr, spricht sie nie. Ihr Freundeskreis ist multikulturell, feiert ordentlich und kontert den allgegenwärtigen Alltagsrassismus mit böser Ironie. Mascha liebt ohne Rücksicht auf Verluste – ihre Sprachen, ihre Freunde und vor allem Elias. Gerade erst ist Mascha mit ihrem Freund zusammengezogen, als dieser durch eine zunächst harmlose Sportverletzung zum Pflegefall wird. Immer mehr gerät Maschas Leben aus den Fugen. Elias‘ unerwarteter Tod stürzt sie in eine Krise. Sie tritt die Flucht nach vorne an und setzt sich, mit nichts als ihrem Pass, in ein Flugzeug Richtung Israel. Dort tut sie das, was sie am besten kann: sie stürzt sich mit voller Wucht in ein neues Leben, findet eine neue Liebe und muss schließlich erkennen, dass man nicht für immer vor sich davonrennen kann. (Inhalt laut Pressenotiz)

Die ersten fünf bis zehn Minuten war ich recht verwundert, denn die ersten Szenen gab es so alle nicht im Buch, manche Dinge in Maschas Leben wurden stark geändert.
Doch dann erkannte ich immer mehr wieder, sowohl in den Bildern und Situationen als auch Dialogen.

Der Film springt recht wirr hin und her und lässt die Chronolgie des Buches links liegen. Ich hatte gehofft, dass es nur im Einstieg so ist, doch den ganzen Film über blieb es so. Nicht selten dachte ich: „Hätte ich das Buch nicht gelesen, würde ich das jetzt überhaupt nicht verstehen.“ Und auch meine Freundin, mit der ich im Kino war, spiegelte mir das wider. Nach dem Filmende habe ich manche Dinge erstmal in Zusammenhang gebracht und Hintergründe erklärt. Ohne die Hintergründe wirkten manche Handlungen einfach unsinnig.
Mir gefiel die Art so nicht. Ich fand auch nicht, dass der – meiner Meinung nach – recht unspannende Stoff so spannender gestaltet wird. Es war nur verwirrender.

Aylin Tezel als Mascha, Slavko Popadic als Elias und all die anderen haben dafür im Rahmen der Geschichte einen tollen Job gemacht. Sie haben mir alle die Gefühle gegeben, die die Figuren mir auch im Buch vermittelt haben. Mascha war verloren, kühl, verzweifelt. Elias wollte so gern mehr über seine Freundin wissen und Cem liebte seine beste Freundin uneingeschränkt.

Die Schauplätze waren auch cool. Doch Israel wirkte im Film viel mehr wie eine heimelige Partystadt. Die Gefahren, die das Buch immer wieder betonte, wurden hier vollkommen übergangen. Insgesamt legte der Film den Fokus nicht so sehr auf Religion, Rassismus und Ethnie, wie es das Buch tat.

„Der Russe ist einer, der Birken liebt“ war nicht schlecht. Ich hatte eine gute Kinozeit. Aber ich denke, meine war besser als die meiner Freundin, weil ich durch das Buch mehr verstanden hatte. Ansonsten wäre ich doch recht aufgeschmissen gewesen.

Der Russe ist einer, der Birken liebt
Filmverleih: Port-Au-Prince Pictures
Lauflänge: 105 Minuten
FSK 12

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Olga Grjasnowa – Der Russe ist einer, der Birken liebt

Mascha ist Aserbaidschanerin, Jüdin, und wenn nötig auch Türkin und Französin. Sie ist selbstbewusst, anpassungsfähig und immer zum Davonlaufen bereit. Mit elf Jahren nach Deutschland immigriert, musste sie früh die Erfahrung der Sprachlosigkeit machen. Nun spricht sie fünf Sprachen fließend und ein paar weitere so »wie die Ballermann-Touristen Deutsch «. Sie plant gerade ihre Karriere bei der UNO, als ihr Freund Elias schwer krank wird. Verzweifelt flieht sie nach Israel und wird schließlich von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt. (Klappentext)

Im Zuge der Verfilmung dieses Buches habe ich ein Goodie-Paket bekommen, in dem das Buch enthalten war. Vor allem, weil dieses Buch eigentlich so gar nicht meinem Genre entspricht, war ich sehr gespannt. Vielleicht habe ich ja all die Jahre umsonst gedacht, sowas wäre nicht mein Genre…

Und es fing eigentlich auch ganz gut an. Es war interessant die Dynamiken zwischen Elias und Mascha zu beobachten, die nicht immer ganz einfach waren, weil er gern mehr über ihre Kindheit wüsste, sie die alten Traumata jedoch nicht vor ihm aufarbeiten möchte.
Und ich sage es direkt: Ich habe das Buch zwei Freundinnen weiterempfohlen und das, obwohl sich immer weiter herauskristallisierte, dass das mit dem Buch und mir nichts mehr wird.

Es dauerte nicht lang, da dachte ich: Ja, ich verstehe, warum das Buch Preise gewonnen hat. So lesen sich solche Bücher. Denn sprachlich war eben „Literatur“. Es war seltsam sperrig zu lesen, verworren, verwirrend… auch wenn es floss, wenn ich dabei war. Nur wenn ich das Buch zugeklappt hatte, dann hatte ich wenig Lust, es wieder aufzuklappen. Darum habe ich auch einen Monat gebraucht, die 288 zu lesen.

Mascha fand ich extrem unsympathisch, abweisend und unangenehm. Ihr Verhalten kommt sicher zu einem großen Teil aus ihrer Kindheit mit der Flucht aus der Heimat, dem Vater, der als gescheiterter Kosmonaut unglücklich im Leben war und der seltsam passiven Mutter. Ein Kind, das Krieg erlebt hat, das Menschen hat sterben sehen. Trotzdem fand ich so zu ihr keinen Zugang. Es war ein bisschen, als ob sie sich selbst nicht liebt und deswegen alle Leute wegstößt, die es tun.

Insgesamt waren alle Beschreibungen immer sehr auf Religion und den ethnischen Background der Leute bezogen und vor allem ist es auch sehr politisch. Es geht um den Aserbaidschan-Armenien-Konflikt im Karabach und später geht es vor allem auch um den Israel-Palästina-Konflikt. Grjasnowa geht schon auf vieles ein und holt auch unwissendere Leser ab, aber gefühlt fehlte mir trotzdem manchmal Detailwissen.

Was ich aber tatsächlich seltsam fand: Jeder Mensch in jedem Land kifft erstmal ganz selbstverständlich mit Mascha. Alle haben auch immer Marihuana dabei. Fand ich so ein vollkommen unnötiges Detail, weil es nichts zu der Geschichte beitrug. Aber davon gab es einige im Buch. Die Autorin beschreibt häufig genau, was Mascha sieht oder was jemand anhat und hat mich als Leserin damit gelangweilt.

Alles in allem fand ich das Buch recht handlungsarm. Erst eine schwere Phase in Deutschland und dann tingelt sie verloren durch Israel. Aber ja, das ist auch einer der zentralen Punkte des Buches. Mascha ist eine verlorene Persönlichkeit und man merkt diese Verlorenheit, das Nicht-Ankommen sehr gut. Sie hat keine Heimat, weder in Orten noch in Menschen.

Nein, das Buch und ich wurden leider keine Freunde. Dafür war es für meinen ganz persönlichen Geschmack zu unspannend und zu politisch. Aber gerade wegen des zweiten Punktes konnte ich das Buch ohne schlechtes Gewissen an zwei Freundinnen weiterempfehlen.
Ich wurde leider weder mit der Story noch mit Mascha oder der Schreibart richtig warm.

Olga Grjasnowa – Der Russe ist einer, der Birken liebt
dtv, 1. September 2013 (Erstveröffentlichung Februar 2012)
ISBN 3423142464
285 Seiten
Taschenbuch; 12,00 Euro

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