
Paula ist Ende dreißig und übersetzt Gebrauchsanweisungen. Sie lebt in den USA, »schon so richtig amerikanisch dick« – eine Ausgewanderte, die der alten Heimat doch nicht entkommen kann: Denn eines Tages muss sie sich auf den Weg zurück machen. Widerstrebend reist sie noch einmal in das Dorf ihrer Kindheit. Das von der Schwester bewohnte Elternhaus wird zum Schauplatz einer atemberaubenden Geschichte. Paulas Vater war Friedhofssteinmetz, und nun ist sein eigenes Grab abgelaufen. Es ist an Paula, seinen Stein abzumontieren und nach Hause zu schaffen. Dort kommt es zum Showdown. (Klappentext)
2008 wurde „Deadline“ vom Mitteldeutschen Verlag erstmals verlegt. Von 750 gedruckten Ausgaben wurden 224 verkauft. Als das Außenlager der Verlagsauslieferung abbrannte, wurde die restliche Auflage zerstört – und wurde auch nicht mehr nachgedruckt. Nun, 13 Jahre später, wurde das Buch vom Kanon Verlag neu aufgelegt.
Ehrlicherweise interessierte mich das Buch aufgrund seiner Hintergrundstory sehr. Ich wollte wissen, was dieses „verschollene“ Buch kann. Die Story, die der Klappentext schon beinahe vollständig widergibt, war dabei zweitrangig. Sie klang nämlich auch gar nicht allzu spannend, aber das hat manchmal ja nichts zu sagen.
Doch was mich dann wirklich erwarten sollte, konnte ich nicht ahnen.
Das Buch lebt nämlich auch nicht von der Story. Es lebt von Paulas Art zu denken und damit von der Art, wie es geschrieben ist.
Das Buch besteht quasi mehrheitlich aus Ellipsen, Gedankensprüngen, Alternativwörtern, Fremdwörtern, ausgefallenen Wörtern.
„Die Kutterbugwellen schlugen | droschen | brandeten gegen die Buhne | den Betonsteg, klatschten | platschten | patschten | leckten | plätscherten | läpperten | wisperten.“ (S. 39)
Beim Lesen entstand bei mir kein Film im Kopf. Ich wurde stolpernd über eine Straße gezogen und ab und zu wurde ich stehengelassen, damit sich kurz ein klares Bild am Wegrand zeigen kann. Dann ging es weiter.
Paula ist Übersetzerin und hat einen wahnsinnig großen Wortschatz, weswegen sie auch ihren Kunden immer direkt alternative Ausdrucksweisen mitliefert. Gleich zu Beginn beschwert sich jemand darüber, doch Paula kann nicht aus sich heraus. Diese Art hat sich schon in ihrem Denken manifestiert.
Wie bereits gesagt, gibt die Story nicht viel her. Paula beschreibt dafür präzise, was sie gerade sieht. Ihre Umgebung – vom Bodenbelag beginnend – wird genauestens analysiert und festgehalten.
„Die Stirn des Mittelgebirges halbierte den Rückspiegel. Ländliche Skyline. Unten schwarzer Wald. Oben heller Restlichthimmel. Ein geteiltes Wappen. Unter mir die Lichter des Dorfes. Kurz vor der Ortseinfahrt verbot ein roter Reflektorfolienring, darin die Rückfront eines orangefarbenen Lasters (Donutquadrat!), Fahrzeugen mit gefährlichen Gütern die Durchfahrt. Zeichen 261.“ (S. 56)
Es gibt kaum Erklärungen oder Ausführungen. Paula beschreibt im Hier und Jetzt, was sie sieht und was sie tut. Ich konnte sehr oft nicht folgen und habe erst im Nachhinein irgendwann verstanden, was passiert war.
Es war, als würde ich einer fremden Person zugucken, was sie macht, aber dafür weder einen Kontext bekommen noch erklärt die Person sich. Ich fühlte mich stehengelassen und verstand wenig.
Bis zum Ende verstand ich auch nicht, wer Paula war. Ich weiß, dass sie fett ist, in Wortvariationen denkt, Gebrauchsanweisungen übersetzt und ein recht schlechtes Verhältnis zu ihrer Familie hat. Das war es. Sie gibt nichts von sich preis, an dem man sich festhalten könnte. Ich bin als Leser komplett von ihr abgeglitten. Sie blieb fremd und unsympathisch.
Ja, das Buch ist besonders geschrieben. Neu und fremdartig.
„Die Frau (Subjekt) hinter dem Campingtischchen (lokales präpositionales Attribut d. Subjektes) zerstampfte (Prädikat) die Limetten (Akkusativobjekt) mit einem Holzklöppel (instrumentale adverbiale Bestimmung d. Prädikats) im Glas (lokale adverbiale Bestimmung d. Prädikats)“. (S. 125)
Nur leider hat mir diese Art absolut nicht gefallen. Ehrlicherweise hat mir insgesamt nichts am Buch gefallen. Die Story war langweilig, die Personen blieben mir fremd, die Art zu schreiben fand ich mehr als anstrengend. Durch die ganzen Alternativen war das Buch einfach nur unnötig aufgebläht. Seiten gefüllt mit Synonymen.
Ich kann nicht sagen, dass das Buch schlecht ist. Das so zu schreiben ist bestimmt eine Kunst. Aber ich fand es ausschließlich unangenehm. Alles an dem Buch. 
Bov Bjerg – Deadline
Kanon Verlag Berlin, 11. August 2021
ISBN 3985680027
175 Seiten
Gebunden; 22,00 Euro