Christoph Marzi – Heaven – Stadt der Feen

London – das ist seine Stadt.
Und über den Dächern von London – dort hat David sein zweites Zuhaue gefunden. Hier oben kann er den Schatten der Vergangenheit entfliehen. Bis er eines Tages auf ein Mädchen trifft, das alles auf den Kopf stellt, woran er bisher geglaubt hat. Ihr Name ist Heaven. Sie ist wunderschön. Und sie behauptet, kein Herz mehr zu haben. Ehe David begreifen kann, worauf er sich einlässt, sind sie gemeinsam auf der Flucht. Und sie werden nur überleben, wenn sie Heavens Geheimnis lüften. (Klappentext)

Über zehn Jahre musste dieses Buch auf meinem SuB versauern – vollkommen unberechtigt, wie ich nun weiß.
Heaven wurde das Herz aus dem Körper geschnitten, doch sie lebt weiterhin; sie atmet, fühlt und denkt. Nur die Stelle, an der bisher ihr Herz geschlagen hat, ist nun still. Sie ist noch unter Schock von dem, was gerade passiert ist, da trifft sie auf David. Er ist skeptisch, doch er möchte dem Mädchen helfen. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, dem Geheimnis um das gestohlene Herz auf den Grund zu gehen. Doch die Gefahr lauert an jeder Ecke. Die Männer, die ihr Herz haben, sind noch nicht fertig.

Heaven und David sind die Hauptfiguren und sie sind beide auf ihre Art besonders. Sie haben traurige Schicksale hinter sich und sind trotzdem warmherzig, hilfsbereit und aufgeschlossen. Ich mochte beide sehr und habe mich gefreut, dass ihr Background doch ziemlich ausführlich beleuchtet wurde.
Vor allem freut es mich, weil die Geschichte um das gestohlene Herz das gar nicht allzu sehr nötig gemacht hätte, doch Marzi hat uns keine distanzierten Personen vorgesetzt, die einfach gemeinsam durch London stolpern und Hinweisen nachgehen.

Insgesamt spielt London neben den beiden Figuren eine recht große Rolle. Ein bisschen ist es, als wären Heaven, David und die Stadt ein Trio, das sich gegenseitig braucht. Denn auch die Stadt birgt so ihre Geheimnisse, die eng mit dem Leben der beiden verschmolzen sind.

Die Geschichte fand ich wirklich anders und cool. Eine lebendige Person ohne Herz, doch trotzdem keine lebende Tote. Vor allem auch durch den Mann, der weiterhin auf Heavens Spur ist, um ihr noch mehr zu nehmen als nur ihr Herz, bekommt das Buch etwas Märchenhaftes. Er ist geheimnisvoll und höflich. Blutrünstig ohne brutal zu sein. Er nennt sich Mr Scrooge, Mr Heep oder Mr Drood.
Übrigens: Nicht nur die Namen des geheimnisvollen Mannes, die alle Dickens-Figuren entlehnt sind, drücken die Liebe zu Büchern aus. Sondern auch in so vielen anderen Details kommt sie durch, was wirklich schön war.

Doch ich fand nicht alles schön.
Es beginnt schon beim Titel: Einerseits spoilert er und andererseits schürt er Erwartungen, die so gar nicht erfüllt werden. Eine ganz seltsame Mischung, die dem Buch meiner Meinung nach nicht gut tut.
Außerdem kommt so richtig viel Spannung auch nicht auf. Die Geschichte läuft stetig voran ohne Längen und nach und nach kommt auch Einiges ans Licht. Aber richtig dringend weiterlesen musste ich nicht.
Was mir aber am negativsten aufgefallen ist, ist die Sprache. Anfangs ging es noch, doch irgendwann greift der Autor permanent zu seltsamen Vergleichen, die poetisch und stimmungsvoll wirken – sich aber recht schnell als leer und unsinnig entlarven:

„Ihre Augen waren unruhige Seen, in denen sich die Finsternis in sanften Wellen brach.“ (S. 171)
„Die Erinnerung war wie eine welke Blume, an der sie nie zu riechen aufhören würde.“ (S. 180)
„Furcht schwamm in ihm, wie Tränen hinter Glas.“ (S. 290)
„Die Welt wurde um ihn herum ganz schwarz, die Hoffnung welk und die Musik wurde ein dumpfer Ton, der langsam wie Stunden aus Glas ins Vergessen sickerte.“ (S. 296)

Die negativen Punkte waren für mich auffällig, aber jeder Punkt spielte sich in einem kleinen oder punktuellen Rahmen ab, weswegen sie nicht allzu sehr ins Gewicht fallen.

Insgesamt hatte ich trotzdem Spaß mit dieser wundervollen Geschichte, die wirklich zu lange auf meinem SuB lag.

Christoph Marzi – Heaven – Stadt der Feen

Arena, 15. August 2009
ISBN 3401063820
358 Seiten
Gebunden; 14,95 Euro