Anne Freytag – Aus schwarzem Wasser

Das Meer ist der Ursprung allen Lebens – und verbirgt eine tödliche Bedrohung

Ungebremst rast Dr. Patricia mit ihrem Dienstwagen in die Spree. Mit dabei: ihre Tochter Maja. »Du kannst niemandem trauen, sie stecken alle mit drin«, ist das Letzte, was die Innenministerin sagt, kurz bevor sie ertrinkt. Auch Maja stirbt – wacht jedoch wenige Stunden später unversehrt in einem Leichensack im Krankenhaus wieder auf… (Klappentext)

Was für ein Plot!
Das Buch wirft einen mittenrein in den Moment, als Patricia stirbt. Keine lange Vorrede, kein unnötiger Schnick-Schnack. Anne Freytag will es wissen bei ihrem Thriller-Debüt.
Die Spannung wurde an der Stelle so hoch getrieben, ich konnte kaum aufhören, zu lesen.
Ich las das Buch in einer Leserunde mit meiner besten Freundin und das Tagespensum von 30 Seiten pro Tag wurde von uns beiden schnell überschritten.
Man konnte an so vielen Stellen miträtseln: Was ist bei dem Unfall passiert? War es wirklich ein Unfall? Was bedeuten Patricias letzten Worte? Und warum hat Maja überlebt, obwohl bei ihr doch zweifelsfrei der Tod festgestellt wurde?
Ich war gespannt darauf, Maja bei ihrem Versuch, die Fragen zu beantworten, zu begleiten. Gemeinsam mit ihrer Affäre Daniel und dem ehemalige Kollegen ihrer Mutter – und Vater ihrer besten Freundin -, Robert Stein, stößt sie auf Geheimnisse, die bis fast 20 Jahre in die Vergangenheit reichen. Geheimnisse, die gefährlich für die ganze Welt werden können und doch so untrennbar mit Majas Leben verknüpft sind.

Vor allem auch durch das gemeinsame Lesen war die Leseerfahrung unglaublich intensiv. Selten denke ich so sehr über das nach, was noch kommen kann und stelle so viele Spekulationen an.

Anfangs war ich wirklich überzeugt, dass ich hier ein potenzielles 5-Sterne-Buch in den Händen halte. Ich war so begeistert.

Auch die Sprache gefiel mir unfassbar gut. Anne Freytag malte Bilder mit den Wörtern, die wunderschön und besonders waren. Sie beschrieb vergleiche, die einerseits poetisch waren und mich andererseits mit starker Wucht trafen.
Das ganze Buch ist so kraftvoll geschrieben. Ich war begeistert.
In Kombination mit den kurzen Kapiteln, Perspektivwechseln und Zeitenwechseln merkte ich kaum, wie ich durch die Seiten flog.

Doch circa ab der Hälfte des Buches machte Anne Freytag immer mehr Baustellen auf. Sie verhedderte sich nie und schaffte es auch, alles so darzustellen, dass man folgen kann, aber es war mir zu viel. Soziale Missstände, politische Fragwürdigkeiten, Umweltverschmutzung, gesellschaftliche Ungerechtigkeiten – Freytag hielt mit ihrer Gesellschaftskritik nicht hinterm Berg.
Politik nahm in dem Buch generell eine große Rolle ein – nicht nur, weil Patricia die Innenministerin war.
Generell hat sich der Fokus sehr verschoben. Die Fragen des Anfangs rückten sehr in den Hintergrund. Und damit ging die Spannung bei mir vollkommen flöten. Es wurde immer politischer, es gab Verwicklungen, man wusste nicht, wem man trauen kann, Geheimdienste, illegale Forschungen… es war einfach irgendwann viel.
Allerhand Wendungen, Irrungen und Wirrungen taten dann ihr Übriges.

Umso weiter ich im Buch voranschritt, umso mehr merkte ich auch, dass ich keinen Bezug zu den Figuren habe. Niemand war mir sympathisch, alle blieben distanziert und ich schien immer nur an der Oberfläche der Menschen zu kratzen.
Es gab ein paar Liebesgeschichten im Buch – und keine war für mich glaubwürdig. Ich habe absolut nicht verstanden, was die Paare aneinander finden.

Letztlich ist das Buch für mich ein Agententhriller, dem der Thrill fehlte.
Vor allem auch durch das intensive gemeinsame Besprechen des Buches fielen an der einen oder anderen Stelle Logiklöcher und unbeantwortete Fragen auf.

„Aus schwarzem Wasser“ ist ein absoluter Pageturner, den ich auch in der zweiten – für mich deutlich uninteressanteren – Hälfte gern zur Hand nahm. Allein für die Sprache hätte es sich schon gelohnt. Aber auch die Grundidee war klasse. Anne Freytag verknüpfte hier Elemente, die es nicht oft zu lesen gibt – wenn es sie denn überhaupt schon mal gab.
Trotzdem ging dem Buch zum Ende hin deutlich die Luft aus. Oder wie meine beste Freundin sieben Seiten vor Schluss sagte: „Puh, ich bin raus!“

Anne Freytag – Aus schwarzem Wasser
dtv bold, 21. August 2020
ISBN 3423230193
598 Seiten
Broschiert; 16,90 Euro

Andere Bücher der Autorin (klicke für die Rezension):

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