Amelie rennt

©farbfilm home entertainment

Amelie ist 13, eine waschechte Großstadtgöre und womöglich das sturste Mädchen in ganz Berlin. Amelie lässt sich von niemanden etwas sagen, schon gar nicht von ihren Eltern, die sie nach einem lebensbedrohlichen Asthmaanfall in eine spezielle Klinik nach Südtirol verfrachten. Genau das, was Amelie nicht will. Anstatt sich helfen zu lassen, reißt sie aus. Sie flüchtet dorthin, wo sie garantiert niemand vermutet: Bergauf. Mitten in den Alpen trifft sie auf einen geheimnisvollen 15-Jährigen mit dem sonderbaren Namen Bart. Als der ungebetene Begleiter ihr das Leben rettet, stellt Amelie fest, dass Bart viel interessanter ist, als anfangs gedacht. Gemeinsam begeben sich die beiden auf eine abenteuerliche Reise, bei der es um hoffnungsvolle Wunder und echte Freundschaft geht. (Kurzinhalt laut Presseheft)

Nachdem ich angefragt wurde, ob ich die kürzlich für den Deutschen Filmpreis nominierte Coming-of-Age -Geschichte vorab zur DVD- und BluRay-Veröffentlichung sehen möchte, sagte ich schnell ja. Ich sehe (und lese) selten solche Storys. Und wenn es nun sogar die Nominierung gibt, erwartete ich eine Perle.

Als ich den Klappentext las, erwartete ich ein wenig eine Art Heidi-Geschichte. So viele Elemente schienen übernommen zu sein. Doch so war der Film letztendlich nicht.

Regisseur Tobias Wiemann („Großstadtklein“) schuf einen Film, der sich für mich vordergründig erst einmal schön anschauen ließ. Die Berge mit all ihren Besonderheiten boten eine genauso tolle Kulisse wie das wuselige Berlin, in dem die Geschichte startete. Doch man konnte ihn nicht nur oberflächlich schön ansehen, sondern die Geschichte war auch noch tiefgründig. Es geht um so viel mehr, als das, was der Klappentext vermittelt. Trennung der Eltern, das Erwachsenwerden, sich selber erkennen, andere Gegenden erkunden, Freundschaften aufbauen. Das meiste davon machte Amelie in Südtirol in der Klinik, denn sie musste – ganz entgegen ihres Willens – ihre Stadt und ihre Freunde verlassen und sich dem stellen, das sie am liebsten ignorieren würde: ihrer Krankheit.

Asthma ist eines der zentralen Themen des Films – der Auslöser für alles im Prinzip. Ihm wird deswegen auch viel Raum im Film gegeben. Symptome, Einschränkungen, Therapiemaßnahmen, Tests. Der Film deckt vieles ab, informiert, zeigt die Probleme der Jugendlichen damit auf. Denn Asthma ist eine Angriffsfläche von Amelie. Meistens greift sie sich diesbezüglich jedoch selber an.

Genau dieses Verhalten legt Amelie häufig an den Tag. Angriff ist bei ihr die beste Verteidigung. Egal, ob sie sich gegen fiese Jungs, ihre Eltern oder die nervige Zimmernachbarin in der Klinik wehren will.
Dem Zuschauer – respektive mir – hat es diese Art nicht immer leicht gemacht. Amelie ist einfach keine grundsympathische Person. Beschrieben wird sie als stur. Ja, das ist sie. Ich fand sie aber auch ungerecht und gemein. Zu allen irgendwie. Zumindest anfangs.
Keine Frage, die junge Schauspielerin Mia Kasalo hat ihre Sache dabei wirklich gut und überzeugend gemacht. Aber ich mochte eben nicht, was dargestellt werden sollte.

Der 15-jährige Bart war da schon deutlich sympathischer. Glaube ich zumindest, denn ich muss gestehen, dass ich ihn einfach nicht verstanden habe. Nie. Ich konnte seinen Dialekt nicht verstehen. Wenn es hoch kommt, habe ich 20 Prozent seiner Redeanteile verstanden. Und da war dann vieles noch zusammengereimt.

Und dieser Faktor – der Faktor Mensch – hat mir den Filmspaß verleidet. Der Film war so hübsch anzusehen und die Geschichte doch auch einigermaßen tiefgründig. Aber dann fand ich die Hauptperson unsympathisch und den Gegenpart habe ich nicht verstanden. Schade.

Wenn ich schon einer der wichtigsten Personen nicht folgen konnte, so konnte ich es bei der Musik. Und da lauschte ich besonders. Tolle, idyllische Klänge, die perfekt zu den schönen Bergen passten.

Ich bin also zwiegespalten. Im wahrsten Sinne des Wortes: Geschichte schön, (Haupt)Figuren eher nicht.

Amelie rennt
Filmverleih: farbfilm home entertainment
Lauflänge: 93 Minuten
FSK 6
Ab dem 20. April 2018 auf DVD und Blu-Ray

Kostenloses Rezensionsexemplar

4 Kommentare (+deinen hinzufügen?)

  1. swappinghowdies
    Apr 21, 2018 @ 14:05:46

    Hallo Julia!

    Nach Deiner Rezension bin ich jetzt umso gespannter auf den Film. Ich werde Dir noch Feedback geben, ja?

    Liebe Grüße,
    Birgit

    Antworten

  2. AS Waldschratt
    Mai 27, 2018 @ 20:48:52

    Ich denke der Film hat den Deutschen Filmpreis absolut verdient, auch international hat er jede Menge Preise abgeräumt, selbst im Iran.
    Selten gibt es einen echten Spielfilm für Kinder, d.h. MIT Spannung, guter realistischer aber doch ungewöhnlicher Story, hoher Qualität, ernsthaftem Thema, Wechsel von lustigen und ernsten Phasen aber OHNE Sex, Drogen und Gewalt. Auch als Erwachsener vermisst man 90 min. lang nichts. Mit der üblichen Massenware für Kinder hat dieser Film nichts zu tun.
    Auch das Buch (nach dem Drehbuch geschrieben) ist gut für Kinder geeignet, leicht zu lesen und gibt noch einiges mehr an Informationen wie z.B. längere Dialoge, zwei weitere Szenen und gute Beschreibung von Gefühlen und Gedanken der beiden Jugendlichen (was ein Film naturgemäß nicht so kann). Z.b. erklärt Bart den Begriff „Muhackl“ im Buch doch.
    Die Figur der Amelie kann auf den ersten Blick schon abstoßen. Wenn man aber ihren liebevollen Umgang mit Tieren sieht, ihren Humor mag und sich von Flüchen und schlechter Laune sich nicht gleich abschrecken lässt dann kann man sie auch früh recht sympatisch finden. Aggressivität ist bei Jugendlichen oft ein Zeichen von Depression und eine tiefe Traurigkeit und Unzufriedenheit ist Amelie deutlich anzumerken. Daher kann man ihre unfreundliche Art auch als Hilfsbedürftigkeit einstufen. Denn wirklich bösartig ist sie keinesfalls, man kann ihre direkte und herausfordernde Art auch als emanzipiert bezeichnen, bei einem Jungen würde es nicht so auffallen. Und erwachsen ist sie noch lange nicht, läuft sie doch unvorbereitet und ohne Ziel aus der Klinik weg direkt in den Wald. Und da trifft sie mit Bart genau den richtigen. Auch er wird erst mal angeraunzt und versteht Amelie nicht, lässt sich aber nicht abschrecken und (wie man nur im Buch erfährt) ist glücklich mal aus seiner Routine und viel zu frühen Verantwortung ausbrechen zu können. Auf der zweitägigen Wanderung zum Gipfel lernen sich die beiden kennen und mögen. Schließlich lernt Amelie auch Schwächen zeigen zu dürfen und dass Hilfe anzunehmen nicht entwürdigend ist (was leider viele Erwachsene auch nicht begreifen). Erst damit ist sie fähig in der Klinik an ihrem Asthma zu arbeiten. Das geht aber erst nachdem sie etwas geleistet hat (Bergbesteigung) was ihr niemand zugetraut hätte und sie damit sicher sein kann dass alle anderen sie achten und nicht als Kranke geringschätzen. Denn wenn medizinische Behandlung den Stolz eines Menschen verletzt wird sie eben verweigert, das sollte auch jeder Arzt wissen. Auch den Respekt und die Liebe ihrer Mutter bekommt sie so schriftlich. Und sie lernt dass man andere nicht verurteilen soll bevor man sie (hier erzwungenermassen) kennengelernt hat. Diese Wandlung in Amelies Psyche und in der Beziehung der beiden Jugendlichen ist das eigentliche Thema des Filmes, es ist kein Lehrfilm zu Asthma sondern ein Abenteuerfilm. Im Buch wird die Sympathie Amelies für Bart deutlich besser beschrieben, sie bedankt sich am Schluß bei ihm und blickt ihn schon recht zärtlich an womit er aber noch nicht umgehen kann. Die „Erste Liebe“ ist noch ein Stück weit weg.
    So zeigt dieser Film unseren Kindern dass man im privaten Bereich nicht cool sein muss sondern im Gegenteil Gefühle und Schwächen zeigen darf und sogar sollte um Freunde zu gewinnen. Ein starkes Statement in einer Zeit wo Kinder überall nur cool sein wollen. Nicht umsonst wird dieser Film im Schulunterricht genutzt, es gibt umfangreiches pädagogisches Material dazu.
    So ein Film steht und fällt natürlich mit der Leistung der jungen Hauptdarsteller:
    Samuel zeigt als Neuling Talent und spielt so gut dass man seine Unerfahrenheit nicht bemerkt. Er spricht einiges in Mundart (dem bayerischen etwas ähnlich) und auf italienisch was aber das Verständnis nicht stört, er wirkt damit sehr authetisch. Im Buch kann man die Ausdrücke nachlesen und sich übersetzen. Mia hat schon einiges gedreht, u.a. mit Katharina Thalbach einen Psychothriller. Ihre ungezwungene Art und enorme Ausdrucksbreite machen den Film alleine schon sehenswert. Ihre Mimik ist ausgesprochen deutlich und differenziert ohne übertrieben zu wirken. Sie ist ein grosses Nachwuchstalent und wird uns hoffentlich noch viel Freude machen. Hier ist sie noch 13 und wirkt noch etwas schelmisch-kindlich, das wird in den nächsten Jahren wohl nicht mehr zu sehen sein.
    Alles in allem ein Film der einem im Gedächtnis bleiben kann und als echter realistischer Spielfilm für Kinder eine Rarität.
    Laut der Drehbuchautorin wird es einen Folgefilm geben bei dem Bart nach Berlin kommt, man kann gespannt sein zumal dann beide 3 Jahre älter sein werden.

    Antworten

    • buecherherz
      Mai 28, 2018 @ 14:15:46

      Hallo,

      zuerst einmal vielen lieben Dank für diesen ausführlichen Kommentar und die weiteren Infos, die mir neu waren.

      Ich verstehe den Hintergrund und (sagen wir mal) die Moral der Geschichte. Das ist sicher alles auch wichtig und gut gemacht. Für Kinder, wie du sagst als Schulmaterial, ist das toll.

      Aber manchmal ist es ja doch so, dass einem Filme (Bücher, Serien etc.) einfach nicht gefallen, egal wie gut gespielt oder gemacht sie sind. Ich habe bei dem ein oder anderen Oscar-Film auch schon nicht verstanden, wo der einen Preis verdient hat.

      Von daher freue ich mich total, dass „Amelie rennt“ dir so gut gefallen hat. Wirklich. Es ist fantastisch, wenn einen Dinge ansprechen und bewegen. Bei mir hat das leider nicht funktioniert. Aber ist ja nicht schlimm. Es kann einem nicht alles gefallen.

      Antworten

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