Du findest keinen? Mal dir einen!
Welche Frau würde sich nicht gerne den perfekten Mann malen? Comiczeichnerin Nellie hat schlimmen Liebeskummer, da fällt ihr zufällig eine alte tibetische Zeichenkladde in die Hände. In diese zeichnet Nellie ihren Traumprinzen: stark, edel und dreitagebärtig. Als sie am nächsten Morgen aufwacht, hat der Prinz das Zeichenblatt verlassen und steht leibhaftig vor ihr. Mit Schwert und Kettenhemd. Gemeinsam mit dem ungestümen Prinzen namens Retro macht Nellie sich in Berlin auf die Suche nach dem Geheimnis der magischen Kladde. Dabei erlebt das ungleiche Paar jede Menge Abenteuer: Nellie und Retro kämpfen gegen Söldner und einen Chihuahua, sie fliehen vor der Polizei und stellen fest, dass böse Kräfte mit der Magie der Zeichenkladde die Welt zerstören wollen. Das größte Abenteuer jedoch, das die beiden zu bestehen haben, ist das der Liebe. (Klappentext)
David Safier steht für mich mit Büchern wie „Jesus liebt mich“, „Mieses Karma“ und dessen Nachfolger und „Happy Family“ für solide bis (sehr) gute Unterhaltung. Mit all seinen Büchern hatte ich bisher viel Spaß, aber keines war zu einem Lieblingsbuch avanciert.
Als ich vom Verlag nun gefragt wurde, ob ich Interesse am neuen Buch „Traumprinz“ hätte, sagte ich sofort ja. Selbst wenn da kein Lieblingsbuch bei rumkommt, freute ich mich auf gute Unterhaltung.
Dass man Dinge aus Büchern herauslesen kann, wissen wir alle spätestens seit „Tintenherz“, dass Gute-Nacht-Geschichten die Realität verändern können, wissen wir seit dem Film „Bedtime Stories“, aber dass Zeichnungen aus tibetischen Kladden real werden können, ist neu.
Was wiederum so gar nicht neu ist, ist die Suche nach dem Traummann.
Nellie hatte diese Suche schon fast aufgegeben, da traf sie Bendix. Alles schien perfekt, bis er ihr überraschend das Herz brach. Doch wo sie schon zufällig diese Kladde hat, da kann sie sich ja mal überlegen, wie ihr Traumprinz – so ganz theoretisch – aussehen und sein sollte. Dass der nun tatsächlich am nächsten Morgen vor ihr steht, war so nicht geplant. Doch er möchte gar nicht Nellies Traumprinz sein, er möchte einfach nur zurück in sein Reich.
Zusammen machen sie sich nun auf die Suche nach einem Rückweg und müssen dabei allerhand Gefahren überstehen.
Das alles wurde von mit Zeichnungen von Oliver Kurth, die das Geschehen dann und wann illustrierten, unterstützt. Ungewöhnlich, detailreich und lustig waren sie allesamt.
Die Idee fand ich wundervoll. Ich konnte mich ganz und gar auf sie einlassen. Nichts störte mich an ihr. Ich habe kein Problem mit Magie in Büchern und auch die grundsätzlich abgedroschene Suche nach der wahren Liebe macht mir keine Bauchschmerzen. Solange alles frisch verpackt und spannend umgesetzt ist, kann ich davon immer wieder lesen.
Und spannend war es für mich ab der ersten Seite, die den Leser mitten ins Geschehen – also in diesem Fall mitten in eine Badewanne – schmeißt. Ich konnte es kaum abwarten, die nächste Seite umzublättern. Am liebsten hätte ich manches Mal die nächsten paar Seiten übersprungen, weil ich so schnell wie möglich wissen wollte, wie manches aufgelöst wird. Aber natürlich ist Überblättern für mich keine wirkliche Option. Aber ich wollte wissen, was Nellie wohl so alles zeichnen wird und ich wollte wissen, was aus Retro wird. Ich wollte wissen, ob er zurück in sein Königreich kehren kann und vor allem wollte ich wissen, ob Nellie ihre große Liebe finden wird. Vieles kam für mich überraschend und ich konnte bis zur Auflösung oft nicht absehen, wie manche Dinge ausgehen werden.
Was mich neben der Geschichte und der Spannung aber wohl am meisten begeistert hat, war Nellie selbst. Sie könnte mitten aus dem realen Leben genommen sein. Ich habe mich so sehr in ihrer Suche, in ihren Ansichten und ihrer Gratwanderung zwischen Realität und Fantasie wiederentdecken können. Und wo ich mich nicht wiederentdeckt habe, da konnte ich sie trotzdem verstehen und hätte sie am liebsten in den Arm genommen. Ich mochte sie einfach so gern.
Retro war naturgemäß ein wenig schwieriger zu mögen mit seinen strickten Meinungen und seiner altmodischen Art. Aber besonders war er allemal.
Das Gerüst aus Geschichte und Figuren wurde zusammengehalten von einer leichtfüßigen Sprache. Man wurde förmlich dazu eingeladen, immer schneller und immer mehr zu lesen, allein schon, weil es möglich war. Und dazu war sie noch unheimlich komisch. Oft musste ich lachen, hauptsächlich aufgrund Nellies trockener Art.
Ach wisst ihr, nichts hat mich an dem Buch gestört. Ich persönlich fand alles toll. Nellie, ihre Probleme, Retro, sein Wunsch nach Hause zurück zu kehren, die magische Kladde, die Sprache, der Humor. Alles mochte ich so unglaublich gern.
Aber ich verstehe es auch, wenn man das Buch nur so durchschnittlich findet. Das kann passieren, wenn man sich nicht so in die Figuren hineinversetzen und man Magie in Büchern auch nicht so richtig etwas abgewinnen kann. Wenn man Nellies Sorgen und Leid lächerlich findet, da so ein bisschen Liebeskummer ja nun kein Weltuntergang ist. Und wenn einem Retro viel zu retro ist. Wenn all das zusammenkommt beim Leser, dann findet man das Buch vielleicht nur ganz ok. Aber so ist es nunmal immer. Manchem gefällt ein Buch, der andere hasst es.
Aber viel wichtiger: ICH habe „Traumprinz“ geliebt.
David Safier – Traumprinz
Kindler, 27. Oktober 2016
ISBN 3463406047
315 Seiten
Gebunden; 19,95 Euro
Kostenloses Rezensionsexemplar