
Hoffnungsvoll düster, schrecklich zart und tragisch schön
Niemand konnte ahnen, wie zerbrechlich unsere Welt ist. Ein Wimpernschlag, und sie ging unter. Doch selbst jetzt, während das Licht der letzten Tage langsam schwindet, geben die Überlebenden nicht auf. Sie haben nicht vergessen, wie wunderschön die Welt war, und sie weigern sich zu akzeptieren, dass alles für immer verloren sein soll. Denn selbst das schwächste Licht erhellt die Dunkelheit. Immer. (Klappentext)
Nachdem man in den letzten Jahren mit Dystopien fast ein wenig übersättigt wurde, treibt Emily St. John Mandel das Ganze auf die Spitze. In ihrem Roman „Das Licht der letzten Tage“ hat sich die Gesellschaft nicht nur zum Negativen entwickelt, es gibt sie auch fast gar nicht mehr.
Die Georgische Grippe, die sich rasend schnell über den Erdball ausgebreitet und die betroffenen Menschen binnen 48 Stunden getötet hat, hat innerhalb weniger Tagen über 99% der Menschen getötet.
Es gibt keinen Strom mehr, kein fließendes Wasser, kein Benzin. Die Welt, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr.
Doch noch ist es nicht soweit. Noch steht Arthur Leander auf der Bühne und spielt gerade König Lear, als er plötzlich mit einem Herzinfarkt zusammenbricht und stirbt.
Der Rettungssanitäter Jeevan versucht noch zu helfen, Kirsten steht als Kind mit auf der Bühne und muss das alles ansehen, Arthurs Ex-Frauen müssen kurz darauf von seinem besten Freund Clark informiert werden.
Hauptsächlich durchwandert man einen Zeitraum von 20 Jahren, beginnend ein paar Tage, bevor die Welt zusammenbricht bis ins Jahr 20. Die Zeitrechnung musste nach der Georgischen Grippe wieder auf Null gestellt werden. Manche Rückblenden liegen aber auch gut 35 Jahre davor.
In dieser Zeitspanne springt man wild hin und her.
Man ist mit der Fahrenden Symphonie in der neuen Welt unterwegs und zieht durch die neuen Städte – kleine Ortschaften in denen sich die Überlebenden zusammengeschlossen haben. Vor allem ist man aber bei Arthur. Arthurs Anfänge in der Schauspielerei, Arthurs Erfolg in Hollywood, Arthurs erste Ehe, Arthurs zweite Ehe, Arthurs dritte Ehe, Arthurs Sorgen, Probleme, Freuden.
Dieses Springen zwischen den Zeiten und vor allem auch zwischen den Personen muss man mögen. Ich persönlich hätte das alles lieber chronologisch gelesen. Kleinere Rückblicke in die Vergangenheit wären ja immer noch möglich gewesen.
Mit den verschiedenen Erzählperspektiven bin ich klar gekommen – aber muss wirklich bei allen Personen, die es gibt, ein Zeit-Wirrwarr veranstaltet werden?
Die Personen an sich fand ich alle ziemlich sympathisch, aber eben auch nur „ziemlich“. So richtig binden konnte ich mich an niemanden. Durch das viele Springen hatte ich das Gefühl, ich konnte zu wenig von jedem sehen.
Den größten Teil verbringt man in Arthurs Vergangenheit. Er ist das Bindeglied für all die Personen des Buches und ist doch die meiste Zeit bereits tot. Aber muss ich all die Krisen seiner drei Ehen durchgehen, um zu verstehen, wie die apokalyptische Welt aussieht? Definitiv nicht.
Und damit bin ich fast schon dort angelangt, was mich an dem Buch am meisten irritiert hat. Der Klappentext versprach mir Überlebende, die nicht aufgeben, Menschen, die die Schönheit der alten Welt wiedererlangen wollen, die die Hoffnung nicht aufgegeben haben.
Davon fand ich so gut wie nichts in dem Buch.
Erstens befand man sich relativ selten in der Zeit nach der Grippe und zweitens haben die Menschen dort jegliche Hoffnung aufgegeben. Es ist eine Welt ohne Medizin, ohne Energie, ohne Kraft. Täglich muss man ums Überleben kämpfen, jeder Schritt kann einen alles kosten.
Diejenigen, mit denen man durch die Lande als Fahrende Symphonie zieht, erinnern sich kaum an die alte Welt. Sie waren größtenteils noch Kinder. Und die Erwachsenen lege sich nicht gerade ins Zeug, alte Annehmlichkeiten zurück zu erlangen.
Dazu versprach der Klappentext noch etwas, was „hoffnungsvoll düster“, „schrecklich zart“ und „tragisch schön“ ist. Nein. Einfach nur nein. Wenn man mich fragt, ist der Roman nichts von alledem.
Er langweilte mich zwar nicht, spannte mich aber auch so überhaupt nicht auf die Folter.
Es war ein durchweg durchschnittliches Buch, das mich weder besonders negativ, noch besonders positiv aufregte. Ich las etwas von hier und etwas von dort, lernte den und die kennen und dachte insgesamt nur: „Aha.“.
Ab und zu fragte ich mich: „Was wäre, wenn das wirklich passieren würde?“ und meine Gedanken waren dann fast spannender als das Buch.
Also:
Muss ich als Dystopie-Fan dieses Buch lesen? Nein.
Muss ich als Apokalypse-Fan das Buch lesen? Nein.
Muss ich als Liebesbuch-Fan das Buch lesen? Nein.
Muss ich als Spannungsfan das Buch lesen? Nein.
Muss ich das Buch überhaupt lesen? Nein.
Es ist ganz ok, keine Frage. Für Zwischendurch. Aber es ist nicht spannend, geht nicht ans Herz und bewegt das Gemüt insgesamt nicht. 
Emily St. John Mandel – Das Licht der letzten Tage
Originaltitel: Station Eleven (September 2014)
Piper Verlag, 14. September 2015
ISBN 3492060226
409 Seiten
Broschiert; 14,99 Euro
Kostenloses Rezensionsexemplar