
Denken Sie an einen Ort ohne Polizei.
Eine Kleinstadt, aus der Jahr für Jahr Dutzende Menschen verschwinden.
Spurlos.
Der Ort für das perfekte Verbrechen.
Herzlich willkommen auf Ihrer Kreuzfahrt! (Klappentext)
Dieser Fitzek war von mir lang erwartet. Seit Monaten war der 30. Oktober dick und rot in meinem Kalender markiert.
Immerhin ist es nicht nur das neue Buch meines Lieblingsautors, sondern hatte auch mal ein ganz anderes Setting, als gewöhnlich. Natürlich gibt es Bücher, die auf dem Wasser spielen, aber ich habe davon noch keines gelesen.
Noch faszinierender war die Mischung aus Realität und Fiktion, denn tatsächlich verschwinden jährlich weit über 20 Personen spurlos von Kreuzfahrtschiffen. Manche begehen dort wohl wirklich Selbstmord, aber bei einigen Menschen gibt es viele Fragezeichen.
Doch auf der „Sultan of the Seas“ – das Schiff dieses Buches – ist nun einer dieser vermissten Passagiere wieder aufgetaucht.
Anouk ist elf Jahre alt und war zwei Monate verschwunden. Nun steht sie plötzlich eines Nachts auf dem Gang und niemand weiß, wo das mittlerweile verstummte Mädchen war.
Irritieren ist, dass sie einen Teddy in den Händen hielt, der nicht ihr gehörte…
Der Polizeiermittler Martin Schwartz wurde an Bord geholt, um das Rätsel um Anouks Auftauchen zu lösen und dabei wollte Martin nie wieder einen Fuß auf dieses Schiff setzen. Vor fünf Jahren brachte seine Frau Nadja dort nämlich erst den gemeinsamen Sohn Timmy und dann sich selber um, indem sie das Kind von Bord warf und dann hinterher sprang. Und plötzlich hält Anouk Timmys Teddy in den Händen und die ganze Ermittlung wird ein persönliches Anliegen für Martin.
Sebastian Fitzek schafft es jedes Mal, dass ich ab der ersten Seite sofort in der Geschichte drin bin und mich dann auch noch mit der Hauptfigur verbunden fühle. Ich bin weder männlich, noch Ende dreißig, noch habe ich Frau und Kind verloren, noch Polizeiermittler und doch konnte ich mich mit Martin Schwartz identifizieren. Entweder spricht das für ein ausgeprägtes Problem meinerseits oder für die Kunst von Sebastian Fitzek, der es immer schafft mich zu berühren.
Martin ist sympathisch auf seine eigene Art und Weise und ich war begeistert bei ihm, wenn er mit Anouk sprach oder mit Gerlinde Dobkowitz, der alten, schrulligen Frau, die allerhand Verschwörungstheorien bereit hielt.
Auch seine Wut auf den Kapitän und den Reeder konnte ich verstehen.
Ich fand jedoch nicht nur Martin toll herausgearbeitet, sondern jede einzelne Figur.
Neben den Figuren und deren Geschichten hielt mich auch die Sprache bei der Stange. Ich kann sie kaum beschreiben, denn sie gibt mir einfach nur ein wohliges Gefühl, als würde ich mit ihr durch die Seiten schweben können.
Ich werde nicht gehetzt, es gibt keine unnötig ausgedehnten Beschreibungen, kein gekünstelter Witz, nicht Plumpes, sondern einfach eine – für mich – perfekte Kombination aus allen sprachlichen Aspekten.
So gern ich also Figuren und Sprache mochte, so gern wollte ich nun auch den Inhalt mögen.
Leider gab es hier für mich ein paar Abstriche.
Ich hatte mir vom Schiff mehr erhofft. Ich fühlte mich nicht so sehr eingesperrt und bedrängt, wie es eventuell hätte sein können. Ich hatte eine allgegenwärtige Gefahr erwartet, die so gar nicht da war.
Vielleicht fehlte diese aber auch, weil Martin nach dem Tod seiner Familie seine Angst vor allem und jedem verloren hat. Er tritt ein Himmelfahrtskommando nach dem anderen bei seinen Ermittlungen an und so ist es dann auch auf dem Schiff. Im Zweifel ist es ihm egal, wenn ihm etwas passiert.
Es gab einige Schauplätze und Geschehnisse, die miteinander zu tun hatten und die am Ende – so hoffte ich – zusammenhängen werden.
Jede Geschichte und deren Personen waren detailreich ausgestattet und beim immer vertiefteren und schnelleren Lesen, musste ich das ein oder andere Mal zurückblättern, weil plötzlich auf etwas angespielt wird, was ich zwar am Rande wahrgenommen hatte beim Lesen, mir aber nicht hundertprozentig im Gedächtnis geblieben war.
Außerdem musste ich den einen oder anderen Hirnknoten lösen, wie nun noch einmal wer mit wem und warum…
Ich war sehr gespannt darauf, wie das Buch – und all die Nebengeschichten – ausgehen wird. Ich wollte wissen, wo Anouk all die Zeit war und warum sie Timmys Teddy bei sich hatte.
Aber auch wenn ich gespannt war, so kam die große Spannung nicht auf. Ich saß nicht da mit einem kribbelnden Bauch vor lauter Nervosität.
Miträtseln, wer der Täter ist, konnte ich auch nicht, weil es keinerlei Anzeichen gab.
Also las ich vor mich hin (und manches Mal zurück, wenn ich ein Detail nachlesen wollte) und erfreute mich an der tollen Geschichte in diesem grandiosen Setting. Der große Thrill fehlte mir aber ein bisschen.
Trotzdem lohnt sich das Buch wirklich und ich habe es extrem gern gelesen:
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PS: Das Rätsel um das Lesezeichen habe ich tatsächlich lösen können und ich war über die Überraschung sehr erfreut.
Sebastian Fitzek – Passagier 23
Droemer Verlag, 30. Oktober 2014
ISBN 342619919X
426 Seiten
Gebunden; 19,99 Euro
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