Adam Sternbergh – Spademan

Sternbergh_Spademan

Spademan war ein Müllmann. Das war vor der Bombe. Sie verwüstete den Times Square. Sie tötete seine Frau. Und sie vertrieb einen Großteil der Bewohner New Yorks aus der Stadt. Lediglich die Reichen blieben und zogen sich in ihre Elfenbeintürme zurück, wo sie sich in eine virtuelle Welt einloggen und in süßen Träumen der Realität zu entfliehen versuchen. Jetzt ist Spademan ein Auftragskiller, der eiskalt tötet. Er ist die Kugel, man muss ihm nur die Richtung vorgeben. Seine bevorzugte Waffe: Ein Teppichmesser. Sein neuestes Zielobjekt ist die Tochter eines mächtigen Fernsehpredigers. Sie zu finden ist kein Problem, aber der Job wird plötzlich kompliziert – die junge Frau ist schwanger und der Kunde hat eine Agenda, die weit über einen einfachen Mord hinausgeht. Spademan muss sich entscheiden. (Text der Umschlagklappe)

Ein Buch wie ein Film noir, dessen Hauptperson mit Zigarette in der Hand und vom Whisky rauer Stimme per Voice-Over seine Geschichte erzählt. Eine Art zu erzählen, die das Buch in schwarzweiß erscheinen lässt. Der Erzähler mit Mantel und Hut, der tief ins Gesicht gezogen ist.
Manchmal auch ein bisschen Sin City, manchmal eher Kill Bill.
Ich liebte, was das Buch in mir heraufbeschwor und dass ich mehr einen Film sah als ein Buch las.
Und vor allem liebte ich den Erzähler – Spademan. Spademan und seine trockene, zynische Art.

Klappentext_SpademanIn Ansätzen sieht man seine Art schon beim Klappentext. Im Buch wird diese Stelle noch weiter ausgeführt mit: „Aber ich töte keine Kinder, denn dazu muss man ein echter Psychopath sein.“
Und das ist Spademan nicht. Ganz und gar nicht. Er hat seine Prinzipien. Er hat viel gesehen und viel erlebt und vor allem nachdem halb New York von der schmutzigen Bombe getötet wurde, ist alles anders. Und tatsächlich wurden nicht die Einwohner New Yorks getötet, sondern New York selbst. Nur wenige Menschen starben bei den Anschlägen, aber die New Yorker zogen es vor, ihre Stadt zu verlassen.
Die, die noch da sind, haben entweder keine wirkliche Wahl, weil sie zu arm sind oder sie sind so reich, dass sie sich ein abgeriegeltes Leben in der Limnosphäre leisten können. Eine neue virtuelle Welt.

Allein durch diese Ausgangslage hatte das Buch für mich den Anschein einer Dystopie, aber weniger eines Thrillers. Dazu fehlte mir die alles zerreißende Spannung. Es war eher ein allgegenwärtiges Wissen-wollen. Warum ist Spademan zu einem Auftragskiller geworden? Warum kann er einerseits so kalt und andererseits so fürsorglich sein? Warum ist New York zu dem geworden, was es ist? Was passiert nun mit Persephone, nachdem Spademan sie aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht töten kann?
Vieles wird angerissen und dann nicht weiter ausgeführt. Mit jeder neuen Erkenntnis kamen neue Fragen. Auflösungen folgten, aber immer erst später.
Ich mochte diese Art zu erzählen. Das Verwinkelte, die Rückblenden, die Erläuterungen, die ein ganzes Kapitel einnahmen und einfach nur vorgetragen wurden, wie von einem Erzähler. Einer, der im Schatten steht, mit Hut im Gesicht und Whisky in der Hand.
Es wurde dabei nie unlogisch oder verwirrend.

Es gab jedoch etwas, was verwirrend war: Es gab keine Anführungszeichen. Wörtliche Rede setzte einfach in einer neuen Zeile ein und der Dialog ging dann abwechselnd weiter. Ohne Absätze, nur in neuen Zeilen. Und manchmal, da wechselte es mittendrin kurz zurück zum inneren Monolog.
Ich musste mich daran gewöhnen. Auch wenn die Eingewöhnung lange dauerte und mich bis zum Ende nicht wirklich glücklich machte, passte es auf seltsame Art und Weise zur Stimmung des Buches.
Ebenso wie die Ansprache an den Leser.
Ein ruhiger, klarer, kluger Spademan erklärte sich und seine Lebensweise dem Leser. Und es passte perfekt.

Ich konnte mich erstaunlich gut in Spademan hineinversetzen und verurteilte ihn nie für seinen Job. Manches sah ich anders als er, manche Ansichten verstand ich vielleicht nicht, aber insgesamt ging ich sonderbar konform mit ihm.
Auch die anderen Figuren waren irgendwie eigensinnig und durch die neue Situation in New York anders eingestellt. Sie dachten anders, lebten anders in dieser kaputten Stadt und doch konnte ich mich auch in sie einfühlen.

Weil sein aktueller Auftragsgeber – der Vater von Persephone – nicht nur seine Tochter tot sehen will, sondern auch ein bekannter Fernsehprediger ist, spielen Religion und religiöse Ansichten eine große Rolle im Buch und obwohl ich Bücher mit solchen Themen oft schwierig finde, ging es hier um Bereiche, die für das Buch relevant waren – Sünden, Versuchung, Schuld, Gier.

Es war ein gutes Buch. Eines, das ich immer weiter lesen wollte. Es bedient sich einer – zumindest für mich – neuen Art der Erzählung und die Kombination bekannter Elemente (Anschläge, virtuelle Welt, Auftragskiller) funktionierte sehr gut. Es war für mich mal eine andere Art des Lesens, eine tolle Art, aber nicht die perfekte Art.
Es fehlte mir an Spannung und einer mehrschichtigen Erzählung. Es ging nur um diesen einen Strang mit der schwangeren Persephone und Spademans Vergangenheit.
Außerdem konnte ich mich bis zum Schluss mit der Art der Dialoge nicht anfreunden.
Aber gerade dieses „anders“ sein macht das Buch lesenswert. (Auch wenn 14,99 Euro für die große Schrift auf den wenigen Seiten ziemlich dreist sind.) 4 Sterne

Adam Sternbergh – Spademan
Originaltitel: Shovel Ready (Januar 2014)
Heyne Hardcore, 3. März 2014
ISBN 3453268881
303 Seiten
Broschiert; 14,99 Euro

Reihenfolge der Bücher:
1. Spademan – Originaltitel: Shovel Ready
2. Feindesland – Originaltitel: Near Enemy

Sternbergh_Spademan Sternbergh_Feindesland

7 Kommentare (+deinen hinzufügen?)

  1. Ninespo
    Apr 02, 2014 @ 12:14:03

    Deine Rezension ist so gut, dass ich mir im zweiten Abschnitt bereits das Buch auf meine Amazon-Wunschliste gesetzt habe. Ich darf einfach keine Rezensionen mehr lesen 😀

    Antworten

    • buecherherz
      Apr 02, 2014 @ 12:59:11

      Oh, das freut mich, dass ich rüberbringen konnte, wie gut ich das Buch fand. 🙂
      Ich bin gespannt, ob es das Buch irgendwann von deiner Wunschliste auf den SuB schafft und wie du es dann findest. Ich glaube, hier kommt es ganz doll darauf an, ob man den Stil mag. Der hat für mich das Buch ausgemacht.

      Antworten

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  4. Trackback: Adam Sternbergh – Feindesland | Buecherherz

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