Bastian Bielendorfer – Lehrerkind – Lebenslänglich Pausenhof

Bielendorfer_Lehrerkind_Pausenhof

Mein Leben unter dem Rotstift

»Liebe Kinder, das ist euer neuer Mitschüler Bastian, der Sohn eures Deutschlehrers«, stellte mich unser Klassenlehrer vor.
Übersetzt bedeutete das allerdings:
»Liebe Kinder, dieser dicke Junge, der Missing Link zwischen Knabenbusen und Herrentorte, ist der neue Spitzel des Lehrerzimmers. Wir haben ihn vorsorglich mit einem T-Shirt ausgestattet, auf dem das Wort ›Opfer‹ in Neonfarben aufgedruckt ist, damit ihr ihn auch bei schlechten Lichtverhältnissen zünftig vermöbeln könnt.«
Lusche, Mädchen, Spion… ich hatte verschissen. (Klappentext)

Bücher, die ich mögen soll, müssen drei Dinge aufweisen: eine gute Idee, eine Art der Erzählung, die mich je nach Genre anders bewegt und gute Charaktere.
Bastian Bielendorfer hat nicht eine der drei Kriterien für mich erfüllt. Einzig allein die Idee hätte ziehen können. Ein Kind, das unter seinen schwierigen Lehrereltern allerlei erlebt, hätte gut und witzig sein können, hätten in dem Buch Geschichten und Anekdoten gestanden, die spannend oder lustig wären oder immerhin pointiert erzählt worden wären. Aber all das war nicht der Fall. Hier und da wurde zwar versucht mit Pointen zu arbeiten, für mich sind sie jedoch allesamt im Nichts verpufft.

Erzählt werden kurze Geschichten aus jeder Lebensphase des Autors von der Geburt bis zum Studium.
Über die langweiligen Storys hätte ich noch hinwegsehen können, wären die Figuren interessant oder sympathisch gewesen. Die konnten mich jedoch auch nicht begeistern.
Bastian Bielendorfer wird nicht müde seine körperlichen Unzulänglichkeiten aufzuzählen, die sich meist um seine Leibesfülle und fehlende Körperspannung drehten. Auch seinen Intellekt verschont er nicht und stellt sich immer wieder selber als ein wenig zu dumm geraten dar. Was wahrscheinlich trocken selbstironisch rüberkommen soll, wird durch die gebetsmühlenartige Wiederholung nur nervig.
Für seine Eltern empfand ich auch nur an äußerst rar gesäten Stellen einen Funken Sympathie. Die meiste Zeit waren sie pedantisch, maulig, lethargisch, besserwisserisch oder uninteressiert. Manchmal waren sie sogar richtiggehend gemein. Dadurch, dass mir der Autor selber aber auch nicht sympathisch war, konnte ich ihn nicht für seine Eltern bemitleiden.

Wenn die Geschichten nicht spannend sind und die Figuren mich nicht berühren, kann man mich trotzdem noch mit einer Sache auf seine Seite ziehen: mit einer Schreibweise, die mich in ihren Bann zieht. Leider hat das Buch hier auch auf ganzer Linie versagt.
Alles und jeder wird ständig mit unpassenden Vergleichen versehen, vorrangig mit sexuellem oder pseudowitzigen Kontext: „Seine braun gebrannte Haut war spröde wie der Hintern eines Tapirs“ (S. 79), „Die Wahrheit war, dass Onkel Willi den Charme eines übernächtigten Lkw-Fahrers hatte, der ein Gesicht auf seine Thermoskanne voller Schweinemett malt.“ (S. 102), „Der Sportlehrer leidet berufsbedingt unter einer Art mentaler Vorhautverengung.“ (S. 106), „So stand ich da, der Regen prasselte auf mein knabenbebustes Leibchen herab, als wollte Gott mich anpinkeln, und meine welligen Haare lagen angeklatscht an meinem Kopf wie der Damenbart der Queen.“ (S. 112/113), „ihre Mimik hatte immer noch die Dynamik einer Nashornrosette“ (S. 199).
Überhaupt bedient sich der Autor einer recht vulgären Sprache, die eher gewollt provozierend und rebellisch wirkt als wirklich flüssig. Besonders gern wird Bezug auf Hintern und Vorhäute genommen. Es ist gar nicht so, als hätte ich grundsätzlich etwas gegen vulgäre Sprache, ganz im Gegenteil, manchmal merkt man mir auch weder Abitur noch die gute Erziehung an. Aber ob sich ein Endzwanziger in seinem Buch mit vorpubertärer Sprache hervortun muss, weiß ich nicht so recht.

Die verschiedenen Erlebnisse werden immer mal wieder durch eine klischeehafte Einordnung von Lehrern unterbrochen. Diese Teile stehen auf liniertem Papier und die Typografie ist lockerer und an Handschrift angelehnt. Um die Lehrertypen darzustellen nutzt Bielendorfer seine eigenen ehemaligen Lehrer (wahrscheinlich mehr oder weniger real). Natürlich habe ich auch ein paar meiner Lehrer dort wiedererkannt und gerade der Typ „Religionslehrer“ trifft sicherlich bei vielen ins Schwarze, an sich war mir das alles aber zu schwarzweiß und jeder Lehrer dieses Fachs muss ja so sein, anders geht es nicht.
Diese Beschreibungen fand ich unnötig und wieder vollkommen unlustig.

Ich habe wirklich stark überlegt, ob ich irgendwas gut an dem Buch fand. Meine Zusammenfassung liest sich aber eher so: langweilige Anekdoten, unsympathische Protagonisten, nicht witzig, nicht spannend, nicht emotional berührend, gekrampft lässige Sprache, unnötige Vergleiche an viel zu vielen Stellen, klischeehafte Einschübe von „Lehrertypen“ und dann ist es nicht mal flüssig vor lauter unwichtigen Einschüben und Sprüngen in der Chronologie.
Ich vergebe die schlechteste Punktzahl: 1 Stern

Bastian Bielendorfer – Lehrerkind – Lebenslänglich Pausenhof
Piper Taschenbuch, November 2011
ISBN 3492272967
304 Seiten
Taschenbuch; 9,99 Euro

Reihenfolge der Bücher:
1. Lehrerkind – Lebenslänglich Pausenhof
2. Lebenslänglich Klassenfahrt – Mehr vom Lehrerkind

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Ha! Dieser Monat war genau so grandios wie der letzte.
Aber der März, der könnte mal wieder etwas mehr Abwechslung bringen. Ich habe da ein gutes Gefühl…


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