Es wäre alles so einfach, wenn Facebook es nicht kompliziert machen würde. Einem Kontaktnetz aus verliebten, verlassenen, betrogenen und belogenen Figuren folgend, geht „Beziehungsstatus: Verliebt in facebook“ den Veränderungen nach, die die soziale Vernetzung unserem zwischenmenschlichen Miteinander beschert hat.
Kann aus einer Freundschaftsanfrage mehr werden? Wie viel Stupsen ist okay? Und wie ändert man eigentlich heimlich den Beziehungsstatus?
Beziehungsstatus: Verliebt in facebook bietet Verständnis- und Verständigungshilfen für Leben und Liebe mit Facebook.
Ein Roman, der jede und jeden in die Digitale Nativity eintauchen lässt. (Klappentext)
„Roman“ so sagt es der Klappentext. Tatsächlich ist dieses Buch so viel mehr. Es ist eine Mischung aus Sachbuch, Satire und einer Liebesgeschichte (eigentlich mehreren Liebesgeschichten), gespickt mit ganz viel Humor.
Facebook… wer hat es nicht (Hat es jemand wirklich nicht? Der möge jetzt doch mal bitte die Hand heben!)? Fluch und Segen zugleich. Das habe ich oft schon festgestellt und mit Freunden diskutiert, aber immer eher vage. Mit diesem Buch wird endlich mal etwas genauer hinter die Kulissen geschaut.
Was sagen eigentlich unsere Profilbilder über uns aus und was wollten wir EIGENTLICH damit aussagen? Drücken wir „Gefällt mir“ wirklich, weil es uns gefällt oder eher um demonstrativ zu zeigen: „Hallo, mich gibt es noch! Hier, guck doch mal! Guckst du? Nein? Soll ich das nächste Mal noch mal auf den Button klicken? Dann???“. Warum stupsen wir? Können wir nicht endlich auch mal Leute in das offene Meer stupsen? Ist es bei Facebook nicht eh zu friedlich? Wie kommt es dann zu Mobbing dort? Und vor allem: Was passiert eigentlich mit unserem Account, wenn wir sterben?
Die Autorin liefert für all das und noch vieles mehr Erklärungen und Ratschläge (möchte jemand seinen Beziehungsstatus heimlich ändern? Hier wird Hilfe geboten!). Ich habe mir tatsächlich noch nie so viele Gedanken über dieses soziale Netzwerk gemacht und mal genau darauf geachtet, was ich eigentlich so dort mache, wie ich mich präsentiere, was ich für Reaktionen bekommen möchte (nur das mit der Privatsphäre-Einstellung, das hatte ich dann doch schon lange vorher begriffen.).
Klingt nach erhobenem Zeigefinger und ganz trockenem Schreibstil? Ist es aber nicht! Selbst in diesen Abschnitten wird mit ganz viel Ironie und passenden Vergleichen aus der realen Welt beschrieben. Vergleiche, die mich nicht selten laut haben auflachen lassen.
Das Einzige, was mich besonders am Anfang störte, war die Häufigkeit, mit der die Fremdwörter auftraten. Und wenn ich Fremdwörter sage, dann meine ich wirklich FREMDwörter. Oder oute ich mich als minder intelligent, wenn ich nicht „hermeneutisch“, „Intersektionen“, „Mise-en-abyme“, „Dysmorphophobie“ oder „antizipieren“ kenne? Manches wird dann doch noch erklärt, manches erschließt sich aus dem Zusammenhang. Vieles musste ich aber stumpf im Internetlexikon nachgucken.
Das ist aber nicht alles. Es geht auch um ganz verschiedene Persönlichkeiten, die alle in dem großen sozialen Netzwerk aktiv sind.
Es geht zum Beispiel um Karina, die gerade von Moritz verlassen wurde. Und um Immerabgelenkt, die in einer seltsamen Dreiecksgeschickte hängt und um Leonie, die eh zu viel im Netz ist. Und um die dazugehörigen Freunde Sarah, Nicolette, Anna, Maria, Ben, Timo, Adrian, Laura, Konradin und noch mehr.
Zu viel, hm? Fand ich auch. Anfangs. Es erschlug mich.
Ich blätterte einige Male zurück, denn irgendwie schienen die alle miteinander zu tun zu haben (Haben wir gerade bei Facebook nicht ALLE über ein paar Ecken miteinander zu tun?). Und ohne Einführung der Personen oder Beschreibungen jeglicher körperlicher Attribute, verwischten sich die Grenzen zwischen den ganzen Mädchen anfangs sehr schnell.
Es dauerte auch eine Weile bis ich zu 100 Prozent mitbekommen hatte, wer denn hier nun der Ich-Erzähler ist.
Als ich dann alles für mich sortiert hatte, empfand ich immer mehr Spaß daran herauszubekommen, wer nun im Hintergrund noch mit wem irgendwie zu tun hat.
Und die Beziehungsgeschichten an sich waren auch sehr spannend.
Für die Darstellung der Geschichten bediente sich die Autorin auch unterschiedlicher Varianten. Mal wurde es schlicht ganz normal erzählt, mal las man einfach nur einen Facebook-Chat-Verlauf oder auch einfach verschiedene Facebook-Einträge mit den dazugehörigen Kommentaren und Likes.
Und hier tritt der Humor noch stärker in den Vordergrund als bei den Erläuterungen über Facebook.
Der Humor kommt aber nicht gezwungen und steif daher, sondern wunderbar frisch, ironisch, echt. „Echt“ das ist wohl das passendste Wort. Es herrscht eine natürliche Schlagfertigkeit, sodass ich die Dialoge förmlich aufgesogen habe.
Ich mochte die Abwechslung. Man konnte nie sicher sein, was das nächste Kapitel bietet.
Ist es nur erklärend? Bringt es nur die Geschichte weiter? Und wenn ja, welche Geschichte? Ist es eine Mischung? Dialoge? Facebook-Einträge?
Durch den tollen Humor und die Variation liest es sich wirklich gut und schnell. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, als würde ich einer Freundin zuhören mit ganz viel Nicken und „Aha“-Sagen.
Einen halben Stern ziehe ich für die ganzen Fremdworte ab, die zwar zum Stil der Sachbuch-Teile sehr gut passten, mich dann aber gerade anfangs doch erschlugen und eher aus dem Lesefluss rissen, da sie mir immer das Gefühl gaben „Das scheint wichtig zu sein, das musst du googeln und nicht überlesen.“.
Einen weiteren halben noch für die Verwirrung um die Personen.
Vielleicht stören sich dann noch einige an dem Preis für ein relativ dünnes Buch, aber so viel mehr wäre über den Umgang Facebook auch nicht zu sagen, denke ich. Und die Geschichten um die Figuren waren auch mehr oder weniger zu Ende erzählt.
Man kann „Beziehungsstatus: Verliebt in facebook“ leider nur im Internet bestellen, aber es lohnt sich wirklich. Nicht nur für die Facebook-Generation, die sich dort mehr als einmal wiederfinden wird, sondern auch für deren Eltern (Tanten, Onkels, Großeltern, Schwippschwager), die endlich mal die Faszination dieser Plattform nachvollziehen wollen.
Aber wer sich doch noch von dem tollen Schreibstil überzeugen will, hier ist der Blog der Autorin: immerabgelenkt.
Juliane Ungaenz – Beziehungsstatus: Verliebt in facebook
bod.de, 4. Oktober 2012
ISBN 3848226634
181 Seiten
Broschiert; 13,90 Euro
Nov 15, 2012 @ 09:31:53
Vielen Dank für die schöne Rezi! Nachdem meine Mama ein ausgesprochener Facebook-Gegner ist, überlege ich ihr das Buch zu schenken, damit sie auch mal die andere Seite kennenlernt (abgesehen der Datenschutzprobleme etc.).
Jan 05, 2013 @ 12:32:50
Yeay meine Mom wird sich freun. xDD
Jan 06, 2013 @ 15:19:56
Damit Mütter endlich verstehen, was die lieben Kleinen so machen. 😉