Freitag, 31. März
»Mensch Hannes, das Frühjahr beginnt, und du liegst da und rührst dich nicht. Heut früh hat es schon überall nach Frühling geduftet. Das wäre der erste Sommer für mich seit einundzwanzig Jahren, den ich ohne dich verbringe. Also habe ich angefangen dir zu schreiben, Hannes. Heute übergebe ich diese Briefe in tiefer Dankbarkeit.
Sie haben mein Leben gerettet.«Niemand weiß, ob Hannes nach dem schweren Unfall je wieder aus dem Koma erwachen wird. Doch einer glaubt ganz fest daran: sein bester Freund Uli. Und der versucht auf seine Art, Hannes zurück ins Leben zu holen… (Klappentext)
Ich finde den Brief auf dem Klappentext wunderschön. Gerade die letzten beiden Sätze berühren mich sehr. Nur leider wurden hier zwei komplett unterschiedliche Dinge vermischt.
Den Brief vom 31. März gibt es wirklich und Uli spricht dort auch über den Frühling und den Sommer.
Nur die Briefe übergibt er dort noch lange nicht. Diese Stelle befindet sich nämlich schon im Prolog (das wird nur nicht so deutlich benannt) und das ist genau am Jahrestag von Hannes Unfall.
Darum macht der Brief auch rein logisch nicht so Sinn, wie er abgedruckt ist, aber gut. Schön ist er ja trotzdem.
Was sich hier schon erahnen lässt ist Folgendes:
„Hannes“ ist ein reiner Briefroman. Alles wird nur aus der Sicht von Uli beschrieben, indem man seine Briefe an Hannes liest.
Daraus ergibt sich auch, dass es keine Personenbeschreibungen gibt. Hannes und Uli kennen sich ihr Leben lang und auch die anderen Freunde und Eltern sind schon immer Teil ihres Lebens. Beschreibungen für die anderen waren aber auch gar nicht notwendig. Es war mir egal, ob Nele (Hannes Freundin) nun blond oder braunhaarig, dick oder dünn, groß oder klein ist. Es ging um die Beziehung zwischen den beiden jungen Männern und diese wurde wieder mehr als gut beschrieben.
In den Briefen geht es um Verschiedenes. Uli erzählt viel aus seinem Zivi-Alltag im Heim für psychisch instabile Personen, von ihm liebevoll das „Vogelnest“ genannt. Er beschreibt dort auch die Patienten und Kollegen und die Verhältnisse zu denen.
Es geht auch um die gemeinsamen Freunde und was die so erleben.
Ein wichtiger Teil sind dann die Beschreibungen, wie es Hannes geht, denn Uli möchte ihm alles genau vermitteln, was er verpasst. Und dazu gehört einfach auch die Beschreibung des Krankheitsverlaufs.
Aufgelockert wird das Ganze durch Anekdoten aus der Vergangenheit.
Dadurch, dass alles mit Briefen vermittelt wird, gibt es auch keine Kapitel. Die Briefe haben immer eine durchschnittliche Länge von 1,5 bis 2,5 Seiten. Mehr als drei Seiten sind sehr, sehr selten. So habe ich mich öfter dabei erwischt, wie ich dachte: „Nur noch schnell einen Brief.“
Über den Schreibstil bin ich sehr zwiegespalten.
Einerseits mag ich den trockenen Humor von Uli und die wunderschönen Darstellung ihrer besonderen Freundschaft.
Andererseits ist alles in der regionalen Sprache geschrieben. Alle Namen haben einen Artikel und man „ist gestanden/gelegen/gesessen“. In meinem Sprachverständnis „hat“ man das alles gemacht.
Außerdem ist die Sprache nicht wirklich variabel, sondern alles wird immer mit den gleichen Worten beschrieben. Hätte ich für jedes „naturgemäß“ einen Euro bekommen, hätte ich mir „Hannes“ noch einige Male kaufen können.
Über die bayrische Mundart, die hier verwendet wird, habe ich schon einige Diskussionen gelesen. Die einen sagen, dass es anders nicht passen würde, da ja Uli die Briefe schreibt und so würde er auch reden, würde es ihn geben. Andere hätten es lieber in Hochdeutsch gelesen.
Ich muss gestehen, dass ich auch zu zweiter Fraktion gehöre. Ich mag es einfach nicht in Dialekten zu lesen (obwohl ich ja sagen muss, dass es hier keine Dialekte gibt, sondern nur diese kleinen sprachlichen Besonderheiten).
Ich habe mich da auch irgendwann reingelesen und es hat immer weniger gestört.
Und trotzdem hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass Ulis Sprache nicht altersgemäß ist. Er ist Einundzwanzig/Zweiundzwanzig und dafür war das dann wieder zu erwachsen.
Insgesamt finde ich, dass in der ersten Hälfte des Buches zu wenig passiert. Die Beschreibungen des Alltags und von Hannes ähneln sich alle sehr. Erst ab der zweiten Hälfte passiert dann ziemlich viel. Dann dafür in allen Bereichen: bei den Freunden, auf Arbeit, bei Hannes.
Abschließend betrachtet ist dies aber ein wunderschönes Buch, das von einer wahren Freundschaft mit so viel Einfühlungsvermögen erzählt, wie es nur wenige können. Man hat wirklich gespürt wie sehr Uli seinen besten Freund liebt und wie er am liebsten jede Sekunde an Hannes Seite verbracht hätte, um jeden Fortschritt zu feiern und jeden Rückschritt zu betrauern.
Weil das Buch mir aber anfangs zu zäh war und mich die Sprache etwas gestört hat, gibt es .
(Ich hab ein broschiertes Leseexemplar. Zu kaufen gibt es aber im Moment nur die gebundene Ausgabe, darum hier die Daten zu der gebundenen Variante: )
Rita Falk – Hannes
dtv, März 2012
ISBN 3423280018
203 Seiten
Gebunden; 17,90 Euro