Bei manchen Bücher ist das ja wie bei Disney-Filmen: Es gibt nur deshalb einen zweiten Teil, weil der erste überragenden Erfolg hatte. Ob es dabei wirklich noch einen Handlungsstrang gibt, der unbedingt weitererzählt werden muss, ist fraglich.
Hier ist das etwas anderes. Im ersten Teil „Macho Man“ haben sich ja Aylin und Daniel verlobt. Deswegen kann man schon den Weg der Hochzeit weitererzählen. Für mich blieb das Buch zuletzt aber trotzdem leider nur ein zweiter Teil, der nicht an den ersten heranreichen konnte.
Schon der Klappentext war nicht mehr so lustig wie bei Teil eins:
Daniel wurde von seinen 68er-Eltern zu extremer Toleranz gegenüber fremden Kulturen erzogen. Aber was tun, wenn einen die türkische Großfamilie seiner Traumfrau in den Wahnsinn treibt?
Als Daniel und Aylin heiraten wollen, fangen die Probleme erst richtig an:
• Der fundamentalistische Onkel Abdullah wird kurzerhand in Daniels Wohnung einquartiert.
• Sein Ford Ka wird dreimal am Tag mit Tüll beladen, damit die 1000-Gäste-Hochzeit in einer Leverkusener Industriehalle romantisch wird.
• Seine Mutter lädt Aylins Eltern an Heiligabend ein – und spricht dann herrlich ungezwungen über Sex.Doch damit nicht genug, denn Tante Emine sagt weitere Desaster voraus: Die stehen schließlich im Kaffeesatz.
Nach nur vier Monaten wollen Daniel und Aylin nun also heiraten. Dass es so schnell gehen muss, hatte mich ziemlich überrascht. Aber gut, Herr Netenjakob wird wohl wissen, wie gut das in die türkische Kultur passt.
Wie schon in Teil eins überzeichnet er diese nämlich gnadenlos und holt alle Klischees raus, die es nur gibt. Er darf das aber immer noch, denn auch dieses Mal ist das Buch seiner Frau Hülya gewidmet.
Ich habe auch den Verdacht, dass die eine oder andere Erfahrung mit in das Buch eingeflossen ist.
Leider konnte mich die Geschichte aber nicht überzeugen. Neben der Tatsache, dass es mir etwas zu schnell ging, war es dann auch alles „zu viel“. Jeder der Gäste hatte irgendwie Einfluss auf die Hochzeit. Das Brautpaar an sich hatte kein bisschen Entscheidungsfreiheit mehr. Alles wurde fremdbestimmt. Das mochte ich nicht. Aber wer weiß, vielleicht ist das ja tatsächlich so?!?! Damit habe ich mich dann also auch arrangiert und es akzeptiert.
Als dann aber eine Tante die ganze Hochzeit lahm legte, das war mir zu viel.
Genau einen Tag vor der Hochzeit bekommt eine der Emine-Tanten einen Herzinfarkt. Seltsamerweise ging es ihr aber so gut, dass sie alle 1000 Gäste besuchen konnten und sie sich auch gut mit allen unterhalten konnte. Vielleicht ist das ja sehr egoistisch (im Buch würde jetzt wahrscheinlich „deutsch“ stehen) gedacht, aber verschiebe ich deswegen die Hochzeit? Keiner ist gestorben, der Betreffenden geht es gut. Sie ist komplett über den Berg.
Viele Gäste kamen extra aus der Türkei angereist.
Ab da bekam das für mich alles einen sehr unrealistischen und schalen Beigeschmack.
Das bleibt dann aber natürlich bei Weitem nicht das einzige Problem, dass die Hochzeit gefährdet…
Daniel und Aylin mochte ich dafür von Anfang an wieder sehr. Daniel ist immer noch der, der sich nicht durchsetzen kann. Ich glaube auch, er will das nicht wirklich. Für ein kleines Lächeln seiner Verlobten schmeißt er jubelnd seine Prinzipien über Bord.
Trotzdem ist es sehr süß von den beiden zu lesen, die immer so liebevoll miteinander umgehen.
Von den anderen Figuren war ich leider durch die Bank genervt. Vor allem von den Eltern der beiden. Das sind Aylin und Daniel selber aber auch.
Die Komik blieb für mich dabei ziemlich auf der Strecke.
Es gab diesmal nur eine Stelle, bei der ich so doll lachen musste, dass ich das Buch schnell zugeklappt habe (Ich saß nämlich im Wartezimmer beim Arzt. Da kommt so was selten gut an.).
Aber ansonsten habe ich dann nicht mehr gelacht. Dabei hatte ich mich so darauf gefreut, weil ich bei Teil eins ja kaum eine Seite ohne zu lachen gelesen habe.
Zuletzt bin ich auch von dem Cover ziemlich enttäuscht.
Es ist genau das gleiche Bild wie auf dem anderen Buch, nur wurde hier ein Blumenstrauß reinmontiert. Das sieht auch noch sehr unrealstisch aus, da alles verschwommen ist und nur die Blüten ganz scharf. Ich hätte mir etwas mehr Kreativität gewünscht.
Obwohl ich nun nicht so viel lachen konnte wie erhofft und mir die Ereignisse etwas zu weit hergeholt scheinen, mochte ich das Buch an sich aber schon.
Es ist wieder sehr, sehr gut geschrieben und liest sich somit mehr als flüssig. Einige Sachen, die mich da an Band eins gestört hatten, sind hier auch nicht mehr vorhanden.
Also alles in allem trotzdem ein lesenswertes Buch, wenn man sich darauf einlassen kann. Ich vergebe .
Moritz Netenjakob – Der Boss
Kiepenheuer & Witsch, März 2012
ISBN 3462043870
311 Seiten
Broschiert; 14,99 Euro
Reihenfolge der Bücher:
1. Macho Man
2. Der Boss
Mär 16, 2012 @ 19:48:27
Ich hab bisher immer noch nicht Macho Man gelesen, will ich schon seit Ewigkeiten, aber da scheint der Wurm drin zu sein – ich kaufs einfach nicht…
Da muss ich bald wohl mal ein paar Prioritäten setzen 😉
LG, Katarina 🙂
Mär 19, 2012 @ 11:58:42
Oh, wenn du es schon so lange überlegst, dann solltest du das wirklich tun!
Ich bin schwer begeistert von „Macho Man“. Das war letztes Jahr mein einziges 5-Sterne-Buch.
Und meinem besten Freund habe ich es auch geschenkt und er findet es genau so genial.
Der zweite Teil ist ja dann auch nicht schlecht. Nur eben nicht so gut wie der erste! Daher lohnt es sich dann auch definitiv die Fortsetzung zu lesen!
LG, Julia